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Kriegsklingen (First Law - Band 1)

Kriegsklingen (First Law - Band 1)

Titel: Kriegsklingen (First Law - Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Freundschaft bleibt bestehen, unberührt, als hätte es keine Unterbrechung gegeben.
Manchmal, aber jetzt nicht.
»Inquisitor Glokta«, sagte West leise, verlegen und nervös. »Es tut mir leid, dass ich so spät noch störe.«
    »Keine Ursache«, sagte Glokta mit eisiger Förmlichkeit.
    Der Major zuckte beinahe zusammen. »Darf ich hereinkommen?«
    »Natürlich.« Glokta schloss die Haustür hinter ihm und humpelte dann hinter West ins Esszimmer. Der Major zwängte sich auf einen der Stühle, Glokta nahm auf einem anderen Platz. Einen Augenblick saßen sie da und sahen einander an, sprachen aber nicht.
Was, zum Teufel, will er hier, um diese Zeit oder überhaupt?
Glokta sah prüfend in das Gesicht seines alten Freundes, das vom Feuerschein des Kamins und einer einzigen flackernden Kerze erhellt wurde. Nun, da er ihn genauer betrachten konnte, fiel ihm auf, dass West sich verändert hatte.
Er sieht alt aus.
Das Haar wurde an den Schläfen dünn und über den Ohren grau. Sein Gesicht war bleich, verkniffen, leicht hohlwangig.
Er macht den Eindruck, als ob er Sorgen hätte. Erledigt. Wie kurz vor dem Zusammenbruch.
West sah sich in dem armseligen Raum um, betrachtete das armselige Feuer, die armseligen Möbel, blickte vorsichtig zu Glokta und schnell auf den Boden. Nervös, als ob ihm etwas im Kopf herumginge.
Er sieht unbehaglich aus. Und das ist wohl auch berechtigt.
    West schien nicht willens, das Schweigen zu brechen, also tat Glokta das für ihn. »Also, wie lange ist es her, hm? Abgesehen von diesem Abend neulich in der Stadt, und den können wir wohl kaum zählen, oder?«
    Die Erinnerung an jene unerfreuliche Begegnung hing für einen Augenblick zwischen ihnen wie ein Furz, dann räusperte sich West. »Neun Jahre.«
    »Neun Jahre. Kaum zu glauben. Seit wir als alte Freunde auf jener Anhöhe standen und zum Fluss hinübersahen. Hinab, der Brücke entgegen, obwohl es auf der anderen Seite vor Gurkhisen nur so wimmelte. Es kommt einem vor, als sei es eine Ewigkeit her, nicht wahr? Neun Jahre. Ich erinnere mich, dass Sie mich zu überreden versuchten, nicht da hinunterzugehen, aber ich wollte nicht hören. Was war ich doch für ein Narr, wie? Ich dachte, ich sei unsere einzige Hoffnung. Dachte, ich sei unbesiegbar.«
    »Sie haben uns an jenem Tag gerettet – Sie haben die ganze Armee gerettet.«
    »Habe ich? Wie herrlich. Ich vermute, wenn ich auf der Brücke getötet worden wäre, gäbe es hier überall Statuen von meiner Wenigkeit. Bedauerlich, dass es nicht so kam. Bedauerlich für uns alle.«
    West wand sich ein wenig auf seinem Stuhl und sah noch unbehaglicher aus. »Ich habe nach Ihnen gesucht, nachdem …«, murmelte er.
    Du hast nach mir gesucht? Wie verdammt edelmütig und nobel. Welch ein echter Freund. Hat mir verdammt wenig genützt, als ich halb wahnsinnig vor Schmerz mit meinem zu Hackfleisch zermalmten Bein weggeschleppt wurde. Und das war nur der Anfang.
»Sie sind aber sicher nicht gekommen, um über alte Zeiten zu reden, West.«
    »Nein … nein, bin ich nicht. Ich komme wegen meiner Schwester.«
    Glokta hielt inne. Diese Antwort hatte er nicht erwartet. »Ardee?«
    »Ardee, ja. Ich werde bald nach Angland gehen, und … ich habe gehofft, dass Sie vielleicht ein Auge auf sie haben könnten, während ich nicht im Lande bin.« Wests Augenlider zuckten nervös. »Sie konnten immer gut mit Frauen umgehen … Sand.« Glokta zuckte leicht zusammen, als er seinen Vornamen hörte. Niemand nannte ihn heute noch so.
Niemand außer meiner Mutter.
»Sie wussten immer, was man sagen muss. Erinnern Sie sich noch an diese drei Schwestern? Wie hießen die noch? Sie haben Ihnen aus der Hand gefressen.« West lächelte, aber Glokta gelang das nicht.
    Er erinnerte sich, aber die Erinnerungen waren nur schwach, farblos, verblichen.
Die Erinnerungen eines anderen Mannes. Eines Toten. Mein Leben begann in Gurkhul, in den Gefängnissen des Imperators. Die Erinnerungen aus der Zeit danach sind viel greifbarer. Wie ich ausgestreckt wie ein Leichnam im Bett lag nach meiner Rückkehr, im Dunkeln, und auf Freunde wartete, die nicht kamen.
Er sah West an und war sich bewusst, wie kalt sein Blick war.
Meinst du, du kannst mich mit deinem ehrlichen Gesicht und dem Gerede von alten Zeiten für dich einnehmen? Wie ein lange herumstreunender Hund, der endlich wieder zu seinem Herrchen gefunden hat? Ich weiß es besser. Du stinkst, West. Du stinkst nach Verrat. Zumindest diese Erinnerung ist mir geblieben.
    Glokta lehnte sich

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