Kriegsklingen (First Law - Band 1)
noch am Leben«, murmelte er nach einem kurzen Augenblick vor sich hin, als könne er es kaum glauben. Es hätte ihn nicht allzu sehr überrascht, wenn Ferro ihm auf die Hände getreten und seinen Fall noch beschleunigt hätte.
Ihr Gesicht erschien über ihm, gelbe Augen blickten ihn an, und sie zeigte voller Verachtung ihre Zähne. »Du blöder, schwerer Scheiß-Rosig!«
Sie wandte sich ab, schüttelte den Kopf, ging zu einer Mauer hinüber und kletterte sie empor. Schnell zog sie sich auf ein sanft geneigtes Dach hinauf. Logen sah ihr mit gequältem Gesichtsausdruck zu. Wurde sie denn niemals müde? Seine Arme waren aufgeschürft, geprellt, überall zerkratzt. Seine Beine taten ihm weh, und seine Nase blutete wieder. Alles tat weh. Er drehte sich um und blickte hinunter. Eine Maske sah ihn von der obersten Sitzreihe aus an, zwanzig Schritte entfernt. Andere liefen weiter unten herum und suchten einen Weg, um zu ihm hinaufzuklettern. Ganz weit unten auf dem gelben Ring aus Gras konnte er eine dünne schwarze Gestalt mit rotem Haar sehen, die mal hierhin, mal dorthin zeigte, dann auf ihn, und die offenbar Befehle gab.
Früher oder später würden sie einen Weg nach oben finden. Ferro hockte auf dem First des Daches über ihm, eine zerlumpte, dunkle Gestalt, die sich gegen den hellen Himmel abhob. »Bleib da, wenn du willst«, bellte sie, wandte sich um und war verschwunden. Logen stöhnte, als er aufstand, stöhnte, als er zu der Mauer hinüberschlurfte, seufzte, als er nach einem Halt für seine Hände suchte.
»Wo sind sie denn alle?«, verlangte Meister Langfuß zu wissen. »Wo ist mein erlauchter Dienstherr? Wo ist Meister Neunfinger? Wo ist die bezaubernde Frau Maljinn?«
Jezal sah sich um. Der kränkliche Lehrling war zu sehr in selbstmitleidiger Grübelei versunken, um zu antworten. »Ich weiß nicht, was mit den beiden ist, aber Bayaz ist im Bad.«
»Ich schwöre, nie traf ich einen Mann, der so versessen aufs Baden ist wie er. Ich hoffe, die anderen werden auch bald hier sein. Die Vorbereitungen sind abgeschlossen, wissen Sie! Das Schiff ist bereit. Die Laderäume sind bestückt. Es ist nicht meine Art, eine Abreise aufzuschieben. Wirklich nicht! Wir müssen mit der Flut auslaufen, sonst sitzen wir hier fest bis …« Der kleine Mann hielt inne und sah Jezal mit plötzlicher Besorgnis an. »Sie erscheinen erregt, mein junger Freund. Besorgt vielmehr. Kann ich, Bruder Langfuß, Ihnen irgendwie zu Diensten sein?«
Jezal war drauf und dran ihm zu sagen, er solle sich um seinen eignen Kram kümmern, aber er beschied sich mit einem gereizten »Nein, nein«.
»Ich möchte wetten, es geht um eine Frau. Liege ich da richtig?« Jezal sah ruckartig auf und fragte sich, wie der Mann das hatte erraten können. »Ihre Frau möglicherweise?«
»Nein! Ich bin nicht verheiratet! Es ist nichts dieser Art. Es ist vielmehr, äh …« Er suchte nach den richtigen Worten, um seine Lage zu beschreiben, und fand sie nicht. »Es ist nichts dieser Art, und Schluss!«
»Ah«, sagte der Wegkundige mit einem wissenden Grinsen. »Ah, eine verbotene Liebe also, eine heimliche Liebe, stimmt’s?« Zu seinem großen Ärger merkte Jezal, dass er rot wurde. »Ich habe recht, ich sehe es! Keine Frucht ist so süß wie jene, die man nicht kosten darf, nicht wahr, junger Freund? Na? Na?« Er ließ seine Augenbrauen auf eine, wie Jezal fand, höchst unappetitliche Art und Weise auf und nieder schnellen.
»Ich möchte wissen, wo die anderen beiden bleiben.« Das kümmerte Jezal zwar nicht im Geringsten, aber ihm war alles recht, um das Thema zu wechseln.
»Maljinn und Neunfinger? Ha«, lachte Langfuß und beugte sich zu ihm hinüber. »Vielleicht haben sie miteinander angebändelt, was, und haben ein geheimes Verhältnis, so wie Sie? Vielleicht haben sie sich irgendwohin verkrochen und geben sich natürlichen Trieben hin?« Er stupste Jezal in die Rippen. »Können Sie sich das vorstellen, die beiden? Das wäre doch was, oder? Ha!«
Jezal verzog das Gesicht. Von dem hässlichen Nordmann wusste er bereits, was für ein Tier er war, und nach dem ersten kurzen Eindruck, den er von dieser schrecklichen Frau gewonnen hatte, war sie vielleicht sogar noch schlimmer. Er konnte sich bei beiden keinen anderen natürlichen Trieb denken als Gewalt. Die Vorstellung war absolut ekelhaft. Er fühlte sich beschmutzt, wenn er auch nur darüber nachdachte.
Die Dächer schienen sich endlos weit zu erstrecken. Eins hoch, das andere wieder
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