Kriegssinfonie Band 1: Soldat (Die Kriegssinfonie) (German Edition)
im Wind bogen.
Glas?! Geschmolzener Sand wird zu Glas.
Er begriff. Und er begriff auch, was passieren würde, doch er machte keine Anstalten, sich zu bewegen. Was nützte Rennen schon? Der Tod war anwesend, neben ihm, überall in dieser Arena. Er stank nach verbranntem Fleisch und Blut, Urin und giftigen Gasen. Die Glassäulen beugten sich zu den rennenden Gestalten hinunter, wälzten sich durch den Sand und begruben ihre schreienden Opfer unter sich.
Ihn überkam die Gewissheit, dass er die einzige überlebende Seele dieses Massakers war. Die drei flüssigen Glassäulen fusionierten zu einer gigantischen und glitten dann zu ihm. Knapp drei Schritte über seinem Kopf blieb das Gebilde zitternd stehen. Ein Tropfen flüssigen Glases löste sich davon und traf sein Bein.
Er machte sich in die Hosen. Kraft zum Schreien hatte er nicht mehr, obwohl ihn die Schmerzen, die von seinem Oberschenkel ausgingen, fast verzehrten. Er wünschte sich, er würde in Ohnmacht fallen, bevor das Unvermeidliche passierte. Er wünschte, er würde verstehen, warum er diesen sinnlosen Tod sterben musste. Dann senkte sich die Säule und er schrie doch; bis das Glas seinen Mund ausfüllte und Haut, Knochen und Gewebe zerfraß.
Nachdem er das erwartete Lob ausgesprochen hatte, entfernte sich Paeon gerade so langsam, dass sein Weggehen nicht als Flucht verstanden werden konnte.
Er war nicht dafür geschaffen, in ständigem Kontakt mit Menschen zu sein! Das hatte schon seine Mutter gewusst, als sie ...
Er verdrängte diese unwillkommenen Gedanken und verließ die Arena und die Galerien. Fackeln beleuchteten den Weg, der ins Innere der Festung führte. Es war später Frühling. Die Sonne schien in diesem Jahr ungewöhnlich stark, doch hinter den meterdicken Mauern war es angenehm kühl. Paeon war dabei, seine hundert Mann auszubilden – und Frauen. Wie er zermürbt hatte feststellen müssen, gab es nicht genug Männer, die das erforderliche Talent aufwiesen. Von den Ursprungszeiten in der Höhle waren ihm zwei Wissenschaftler geblieben, die er gebrauchen konnte. Doch anscheinend waren sie noch unfähiger im Umgang mit Menschen als er. Das Lehren lag ihnen nicht. So hatte er sie mit weiteren Experimenten beauftragt. Leider waren sie vor nicht allzu langer Zeit bei einem fehlgeschlagenen Versuch zu Asche reduziert worden.
So ein Pech.
Zuerst hatte er in Karma gesucht, hatte Flugblätter an der Universität verteilt und unter den Adeligen das Wort herumgehen lassen, dass er junge, naturwissenschaftlich begabte Männer suche. Enttäuscht hatte er festgestellt, dass die Karmatier zwar das Gefühl hatten, sie seien begabt und intelligent, in Wahrheit waren sie jedoch nur Theoretiker, die sich überfordert fühlten, wenn er von ihnen verlangte, fächerübergreifend zu denken. Mathematik alleine war nutzlos. Nur Physik konnte er nicht gebrauchen und von reiner Psychologie wollte er nichts wissen. Die Mischung der drei Fächer und eine gewisse Affinität, Neuartiges auszuprobieren, waren vonnöten. Als er auf das Festland gewechselt hatte, war er fündiger geworden. Die Menschen der kleineren Städte waren weniger arrogant als die Bewohner der Hauptstadt. Trotzdem hatte er nach gewisser Zeit einsehen müssen, dass er bis zum Sommer nicht weit kommen würde. Vielleicht hätte er es bis dahin geschafft, hundert Mann zu finden. Aber der General hatte ausdrücklich verlangt, dass sie dann schon unterwiesen sein sollten. Also hatte er auf Frauen zurückgegriffen und festgestellt, dass diese viel Enthusiasmus mitbrachten. Frauen bekamen selten die Gelegenheit, dem Reich zu dienen. Das einzige Beispiel, das ihm einfiel, war, dass sie während Kriegsjahren als Pflegerinnen in Feldlagern fungierten. Im Laufe der Zeit hatte Paeon eingesehen, dass es für den Fortschritt seines Grüppchens förderlich war, wenn beide Geschlechter vertreten waren. Es heizte den Konkurrenzkampf an und jedem war es wichtig, die bestmögliche Leistung zu erbringen.
Er hatte nicht ahnen können, dass er ebenfalls ein begehrtes Lustobjekt abgeben würde. Dann hatte er sich mit den ersten, zugegebenermaßen plumpen Annäherungsversuchen konfrontiert gesehen. Dieser Umstand erstaunte ihn. Erstens hätte er schwören können, dass sein Aussehen und Charakter nicht den Traumvorstellungen der korintischen Frau entsprachen. Zweitens war er überrascht von sich selbst, dass er das Theater auch noch duldete. Egal, wie schwer es ihm zwischenzeitlich gefallen war, nicht die Nerven zu
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