Kriegssinfonie Band 1: Soldat (Die Kriegssinfonie) (German Edition)
Glückspiele und Essen im Kopf.
Das entnahm er den aufgeschnappten Wortfetzen.
Vor dem Zelt des Lieutenant Generals verharrte er. Er hätte es dabei belassen können und wieder zwischen seine eigenen vier Zeltwände zurückkehren können. Aber nach dem Gespräch mit Ossian war er voller Tatendrang. Er wollte etwas unternehmen, ihm war langweilig. Seine Macht kitzelte ihn schon lange und verlangte danach, aus ihrem Gefängnis herausgelassen zu werden. Bis dahin hatte er sich beherrscht. Schließlich hatte er den Plan nicht gefährden wollen, nur weil er sich nicht zurückhalten konnte. Nein, das Risiko war ihm zu groß erschienen. Doch nicht nur seine Macht hatte ihn gelockt, sondern auch etwas anderes. Ein Rätsel.
Die Elitesoldaten, denen er den Umgang mit den Tamarchen beibrachte, waren ihm schon von Anfang an suspekt vorgekommen. Er konnte dieses Gefühl nicht wirklich begründen. Sicher war er sich nur, dass sie sich von den herkömmlichen Soldaten in mehr als nur einer Hinsicht unterschieden. Sie waren disziplinierter und so eingespielt, als wären sie eine einzige Person. Emotionslos führten sie jeden Befehl aus, mochte er auch noch so widersinnig und schikanierend sein. Aber dies alleine war nicht der Grund für sein Misstrauen. Stutzig geworden war er, als er beobachtet hatte, wie gut sie mit den Tamarchen umzugehen wussten. Von den Tieren hatte er erwartet, dass sie sich gegen die neuen Herren sträubten, da sie immerhin sehr stolze und eigenwillige Kreaturen waren. Anstatt Abneigung gegenüber den niedrigen Menschen zu zeigen, hatte er mit Erstaunen zusehen müssen, wie sich starke, beinahe schon freundschaftliche Banden zwischen Reiter und Flugtier gebildet hatten. Von dieser Tatsache einmal abgesehen, war da noch ein besonderes Gefühl, das ihn jedes Mal beschlich, wenn er mit den Männern und Frauen zusammenarbeitete. Auch wenn es absurd klang, er hatte das Gefühl, in einen verzerrten Spiegel zu sehen, wenn er in die unterschiedlichen Gesichter blickte. Unbekannt und trotzdem vage vertraut. Einen Sinn ergaben diese Empfindungen freilich nicht – trotzdem hatte er sie.
Sein besonderes Talent hätte ihm geholfen, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, aber da er sich bis zu diesem Zeitpunkt geziert hatte, eben dieses anzuwenden, war er ihm noch keinen Schritt näher gekommen.
Ossian hätte ihm vielleicht helfen können. Er war schließlich der Mann, den man fragen musste, wenn es um die Deutung von Symbolen ging. Aber Onyx hatte ihm seine Gefühle vorenthalten. Er wollte nicht, dass sich sein Cousin unnötige Sorgen machte. Und dass Ossian sich gerne Sorgen machte, das war jedem klar, der den Mann ein bisschen näher kannte.
Aber in dieser Nacht, in der die Sicht beschränkt war, die Temperaturen abweisend kalt und die Stimmung bedrückend - konnte er es riskieren, sein Talent zu gebrauchen?
Er brauchte nicht einmal viel zu tun. Die Macht strömte an die Oberfläche seines Geistes und lauerte dort, bis er ein Ziel ausgewählt hatte. Mit einem listigen Lächeln nickte Onyx in Richtung Lieutenantszelt.
Die materielle Welt wurde unwichtig, als er sich konzentrierte und in den Äther rutschte. Seine Macht ergriff den ahnungslosen Lieutenant und lockte dessen düstersten Fantasien, Wünsche und Verlangen hervor und trug diese zu Onyx. Er spürte das unglaubliche Gefühl, Macht besitzen zu wollen, als sei es sein eigenes. Hochkönig wollte er werden, nichts Geringeres, war das Ziel des Lieutenants. Jeden, der sich ihm widersetzte, zu eliminieren, als Eroberer des ganzen widerspenstigen Südens in die Geschichte einzugehen, den General von seinem Dienste suspendieren - hier verspürte er einen kleinen Gewissensbiss, der aber rasch von weiteren dunklen Begehren weggespült wurde - Frauen, die nur für seine Unterhaltung da waren, wenn er sich nach einem anstrengenden Tag als Regent zurückziehen würde und zum Schluss: der Palast, sein eigenes Reich. Weg vom Feld, von Zelten und kleinen Leuten. Nur die wichtigsten Würdenträger würden seine Zeit beanspruchen dürfen.
Onyx riss sich von den Sehnsüchten, die nicht seine eigenen waren, los. Überrascht war er nicht. Er hatte Lieutenant General Grimm schon von Anfang an als hirnlosen Militär eingeschätzt, dessen Gier nach Macht ihn eines Tages zerstören wurde.
Aber über den kommenden Krieg, der Priorität haben sollte, macht er sich natürlich keine Gedanken.
Er wollte sich gerade abwenden, als ihn seine immer noch aktiven Kräfte auf eine weitere
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