Kriegssinfonie Band 1: Soldat (Die Kriegssinfonie) (German Edition)
bleiben. Klugerweise hatte dieser seine unruhigen Hände hinter seinem Rücken verknotet, sodass der Rat von deren Zittern keine Kenntnis nehmen konnte.
Ossian ließ seinen Blick schweifen. Vierzehn Männer und Frauen waren versammelt. Der einstige Stolz ihres Volkes. Männer und Frauen, die schon Tausende Jahre alt waren und noch fest an ihre Unantastbarkeit glaubten. Die Zeit verging quälend langsam, doch Ossian übte sich in Geduld. Getuschel war keines zu hören, da sie sich ohne gesprochene Worte verständigten.
Endlich neigte Myron, der den Vorsitz im Goldenen Rat innehatte, leicht den Kopf und meinte: „Wir wissen deinen Einwand sehr zu schätzen, Ossian. Schließlich bist du ein hochrangiges Mitglied unserer Gesellschaft und könntest, wenn du wolltest, schon lange in unseren Reihen sitzen.“ Myron machte eine bedauernde Geste. „Wir haben gelernt, deinen Visionen und den Urteilen, die du daraus gezogen hast, zu vertrauen. Und du, Garnet, du bist ein junger Krieger. Der Beste, der je unserem Blut entsprungen ist. Niemand zweifelt an deinem Talent in militärischen Belangen.“
Ein mildes Lächeln erschien auf den schmalen Lippen des Vorsitzenden. „Da ihr beide zusammen mit Onyx die Initianten dieses ganzen Plans gewesen seid, überrascht es mich und alle anderen Mitglieder des Goldenen Rates, von eurer Uneinigkeit zu hören. Ihr habt uns vor eine schwere Entscheidung gestellt. Welchen Weg sollen wir gehen? Den der alten Weisheit oder den des jugendlichen Ungestüms?“
Komm endlich zum Punkt, Myron. Wir wissen alle, dass du dich selbst gerne reden hörst, aber es gibt andere von uns, die Besseres mit der Zeit anzufangen wissen.
Nun doch ein wenig ungeduldig verlagerte Ossian das Gewicht auf seinen anderen Fuß. Es ging nie ohne Drama hier. Jede Kleinigkeit wurde aufgebauscht! Jedermann hielt sich für wichtig. Dabei schienen aber alle vergessen zu haben, dass sie schon längst nicht mehr auf ihre alte Macht pochen konnten, die sie vor Jahrhunderten noch besessen hatten.
Wir sind verblendet von unserer eigenen ruhmreichen Vergangenheit. Der Junge hat eigentlich recht. Die Eroberung des alten Heimatlandes würde uns gut tun. Es würde uns beleben und beschäftigen.
Und trotzdem hatte er sich gegen Garnet gewandt. Die Vision in seiner Dachkammer war zu verstörend. Jedes Mal, wenn er sie studierte, wurde ihm übel. Er konnte den Störfaktor nicht benennen, er wusste lediglich, dass er ihn nicht ignorieren durfte. Also hatte er seine Bedenken Garnet gegenüber geäußert. Eigentlich hätte er wissen müssen, dass der um Jahrhunderte Jüngere sich nicht die Eroberungspläne einer Heimat, die er nur vom Hörensagen kannte, von einem schlechten Gefühl Ossians verderben ließ. Onyx hätte vielleicht auf ihn gehört. Er war älter und schätzte die Vorsicht seines Cousins. Aber Garnet besaß das heiße Blut eines Stieres – und dessen Sturheit.
„Der Rat hat sich dazu entschlossen“, fuhr Myron fort, „dass ihr den Plan der Rückeroberung weiterverfolgen könnt. Garnet, du kannst dir unseres Wohlwollens sicher sein.“
Der Rotgewandete konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. „Danke, Myron. Ihr habt richtig entschieden, euch nicht von einigen dunklen Vorahnungen vom richtigen Pfad ablenken zu lassen.“
Auf Ossians Gesichtszügen veränderte sich trotz der niederschmetternden Worte nichts.
Dann also nicht. Lauft in euren Untergang, aber sagt mir nicht, ich hätte euch nicht gewarnt.
Er atmete tief durch.
Wenn es doch so einfach wäre. Er hatte eine Verantwortung gegenüber seinem Volk. Jeder der ihren hatte das. Er konnte sie nicht einfach schalten und walten lassen, wenn er genau wusste, wie es für sie in der Zukunft aussah.
„Ossian. Willst du eine Begründung hören?“, fragte Myron mit sanfter Stimme. In seinen Augen lag Verständnis.
„Nein, Myron. Ich kann mir denken, was in euren Köpfen vorgeht.“
Myron nickte, hob ein goldenes Glöckchen hoch und schüttelte es kurz. Mit dem hellen Klang, der nun durch den Raum hallte, wurde die Versammlung aufgelöst.
Die Einladung auf ein vielfältiges Diner im Rathaus ignorierend machte sich Ossian auf den Rückweg in sein Haus. Der Himmel war wie üblich tief mit Wolken verhangen. Ein eisiger Wind blies vom Meer ins Land und brachte den Geruch von Salz und Tang mit sich. Als er schließlich in seiner düsteren Villa angelangt war, hatte ein sanfter Nieselregen eingesetzt. Gereizt scheuchte Ossian die menschliche Dienerin weg,
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