Kriegssinfonie Band 1: Soldat (Die Kriegssinfonie) (German Edition)
Person aufmerksam machten. Neugierig und überrascht, wie dunkel die Wünsche waren, die durch die kalte Nacht zu ihm getragen wurden, trat er zwischen die Zeltreihen. Seine Kräfte führte ihn wie ein Kompass zu ihrer Quelle. Er stand nun vor einem provisorischen Schuppen, in dem Stroh für die Pferde und Tamarche gelagert wurde. Mittlerweile musste er sich nicht mehr nur auf seine Kräfte konzentrieren, um den Weg zu finden. Eindeutige Geräusche wiesen ihm die Richtung.
Onyx war für gewöhnlich nichts daran gelegen, jemanden beim Liebesakt zu beobachten. Vor allem nicht diese Menschen, deren Verhalten nur von Paarungsabsichten bestimmt zu sein schien. Aber die dunklen Wünsche, die er überdeutlich wahrnahm, hatten seine Neugierde geweckt. So etwas hatte er schon seit langer, langer Zeit nicht mehr wahrgenommen. Vielleicht würde ihm die betreffende Person einmal nützlich sein. Sein Talent beschränkte sich nicht alleine darauf, dunkle Wünsche und Begehren aufzudecken, sondern er konnte mit dessen Hilfe ihre Besitzer manipulieren. Jede Person würde für ihren innigsten Herzenswunsch über Leichen gehen. Das wusste er aus empirischen Versuchen.
Die zwei Menschen hielten sich im hinteren Teil des Schuppens auf. Einige Windlichter in Metallbechern waren im Stroh verteilt, um ein wenig Licht zu erzeugen. Das unstete Licht beschien ihre nackten Körper und nahm ihnen alle scharfen Konturen. Der Mann lag auf dem Rücken und die Frau saß auf seinem Schoss. Die Hände auf seiner Brust abgestützt bewegte sie geschmeidig ihre Hüften. Der Mann, ein Offizier, starrte verzückt und mit leicht geöffnetem Mund den arbeitenden Frauenkörper an.
Onyx konnte das Gesicht der Frau nicht erkennen, doch er wusste sofort, wer sie war. Ivy. Die Elitesoldatin, die zusammen mit Ash Lorin zugeteilt war. Onyx zögerte nicht, sondern benutzte seine Gabe dazu, um Ivys Wünsche an die Oberfläche zu bringen. Die Umwelt wurde ein wenig unscharf, nur das Ächzen des Mannes und das Klatschen von Haut auf Haut waren zu hören. Onyx keuchte, als ihn Ivys Wünsche unvermittelt trafen und er sie spürte, als seien diese seine eigenen.
Frei sein. Sie wollte frei sein von Zwängen, von Pflichten und Aufgaben. Sie wollte dem Ganzen den Rücken kehren. Doch da war noch mehr. Rache. Süße, honigsüße Rache. Sie wollte es allen zeigen, die sie in diesen Käfig gesperrt hatten. Hunderte von Jahren sollten sie alle leiden, so wie sie gelitten hatte. Militär um Militär, bis hin zum General, alle sollten büßen für die Grausamkeiten, die sie ihr über die Jahrhunderte angetan hatten. Sie würde ihnen ein Gefühl geben, wie es war, unschuldige Menschen zu töten! Kinder, Frauen, Alte, waffenlos und mit vor Angst großen Augen. Jeden einzelnen hinterhältigen Mord, den sie in ihrem Namen hatte begehen müssen, würde sie ihnen zurückzahlen. Sie litt. Sie wollte ihrem Leben ein Ende setzen. Aber da war dieses Pflichtgefühl. Dieses verfluchte, verhasste Pflichtgefühl. Ja, sie würde weitermachen, sie würde weitermorden - weil sie musste. Sie hasste sich deswegen. Aber sie würde weitermachen. Obwohl sie doch nur frei sein wollte.
Dieses Mal fiel es Onyx schwerer, sich von dem zerrütteten Geist zurückzuziehen. Sein Herz raste. Schweiß stand auf seiner Stirn. Er wandte sich ab und hastete aus dem Schuppen zurück in sein Zelt. Gedanken wirbelten in seinem Kopf. Passt das? Sie ist eine Elitesoldatin. Sie muss morden. Sie hat eine Pflicht dem Reich gegenüber. Das passt alles. Aber eine Ungereimtheit gab es. Hunderte von Jahren?
Wie war das möglich? Kein Mensch lebte so lange. Und bei seiner Macht, sie sah gewiss auch nicht aus wie eine Hunderte Jahre alte Frau!
Aber Sehnsüchte lügen nicht.
Als er am nächsten Morgen zu den Elitesoldaten kam, um ihnen die täglichen Aufgaben aufzutragen, beobachtete er Ivy besonders genau. Doch nichts erinnerte an die gepeinigte Seele, auf die er in der letzten Nacht einen Blick hatte werfen können. Sie scherzte und lachte und kokettierte sogar ein wenig mit Flex. Was war sie? Und was für Zerstörungskräfte schlummerten unter dieser fröhlichen Oberfläche?
Der König der Provinz Soocul verspürte einen gewissen Unmut, als er durch die Gänge des Palastes in Karma zur außerordentlichen Ratssitzung der Könige eilte. Er war spät dran. Diese Hetzerei hatte er seinem nichtsnutzigen Kammerdiener zu verdanken. Diesem hatte er am Vorabend ausdrücklich befohlen, die kobaltblaue Garderobe bereitzulegen.
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