Kriegssinfonie Band 1: Soldat (Die Kriegssinfonie) (German Edition)
ziellos durch dessen Gänge. Ihre Hände hatte sie hinter ihrem Rücken verknotet, weil sie vor unterdrückter Erregung angefangen hatten, zu zittern. Das Gesindel, das sie antraf, grüßte die Gattin des Hochkönigs höflich. Emerald ließ sich nicht zu mehr als einem knappen Kopfnicken herab. Sorgen darüber, dass sich jemand wundern könnte, wo sie zu so später Stunde noch hinging, machte sie sich nicht. Das Hochkönigspaar besaß zehn Schlafzimmer. Außerdem war es zumindest unter den Zimmermädchen kein Geheimnis, dass sie ab und an die Nacht nicht mit ihrem Gatten im selben Bett verbrachte. Diese Tatsache hatte verschiedene Ursachen. Zumeist fehlte es ihr an der Geduld, sein Geschnarche oder, noch schlimmer, seine ermüdenden Annäherungsversuche ertragen zu können. Das Alter ließ Thanatos’ Körperteile immer mehr zu Boden hängen. Manchmal hatte sie gar das Gefühl, er werde allmählich senil, doch seine Libido verlor er anscheinend nicht. Es war Emeralds größter Albtraum, sich selbst und den Hochkönig im gesegneten Alter vorzustellen und daran zu denken, dass er dann immer noch irgendwelche körperlichen Forderungen an sie stellen könnte. Vor allem in den Wintermonaten, zur Zeit der Wintersonnenwende, schien sein Begehren immer wieder von Neuem zu entflammen.
Emerald schüttelte den Kopf. Daran wollte sie nicht denken. Nein, sie hatte kein Interesse daran, dass ihre Lust verschwand, versiegte, wie Wasser an einem Strand zur Ebbe. Sie wollte ihr nachgeben und von der Flut der Leidenschaft wieder einmal weggewaschen werden.
Sie näherte sich dem Schlafzimmer, das sie zu ihrem Aufenthaltsort für diese Nacht bestimmt hatte, und ging hinein. Der Raum war eher düster gestaltet und wurde von einem schweren Himmelbett im Zentrum dominiert. Bezug und Baldachin des Bettes waren in sturmgrau gehalten, sämtliche Teppiche auf dem Boden waren weiß und flauschig, um die Kälte, die vom silbrig geäderten Marmor ausging, ein wenig zu vermindern. Im Raum gab es nur ein einziges, hohes Fensterpaar, das auf die dunklen Klippen hinausblickte. Der Palast war an diesem Punkt hoch genug, sodass keine Häuser Karmas die Sicht verunstalteten. Hier konnte man sich alleine fühlen, konnte düsteren Gedanken nachhängen und bittere Tränen vergießen. Hier konnte man verbotenen Genüssen frönen und in dunkler Leidenschaft schwelgen. Dies war der Raum, den sie nur aufsuchte, wenn sie verzweifelt war. Sie schloss die Türe und atmete tief durch. Gleich neben der raumhohen Türe war ein Klingelzug an der Wand befestigt. Sie zog einmal daran und setzte sich dann auf den harten Sessel einer mitternachtsblauen Sofagruppe. Es dauerte nicht lange, bis eine Schar Mädchen eintrat. Einige kannte sie vom Sehen, doch die meisten erblickte sie zum ersten Mal und würde sie auch nie mehr sehen. Der Palast war groß und außerdem hatte sie keine Zeit, sich die Gesichter der Hunderten von Mädchen, die für sie zuständig waren, zu merken.
„Guten Abend, meine Lieben“, meinte sie mit müder Stimme. „Für diese Nacht will ich einen taubengrauen, seidenen Morgenmantel und das dazugehörige Nachthemd. Bringt Wein, unverdünnt, Obst und vielleicht ein paar Streifen Trockenfleisch. Und schickt auch Aarun hierher.“
Die Mädchen eilten, ihre Befehle zu befolgen und Emerald war wieder alleine im Zimmer. Für eine Weile blieb sie auf dem Sessel sitzen, doch dann stand sie auf und schritt vor einen mannshohen Spiegel. Der Blick, mit welchem sie sich musterte, war kritisch. Sie war eine schöne Frau, doch sie wurde alt. Feine Fältchen zeichneten sich um ihre Augen ab, drei größere furchten ihre Stirn. Ihre Lippen waren mit den Jahren schmal geworden. Lachfältchen besaß ihr ernstes Gesicht nicht. Vereinzelte graue Strähnen, die sie jedoch schon in sehr jungen Jahren bekommen hatte, durchzogen ihr Haar. Wenn sie wollte, dann konnte sie diese in ihren extravaganten Hochsteckfrisuren verstecken, doch Aarun würde sie zweifellos zu sehen bekommen. Schließlich hatte sie nicht vor, ihr Haar so ordentlich, wie es momentan war, zu lassen. Die Mädchen kamen mit den geforderten Sachen zurück und Emerald wies zwei davon an, ihr beim Ausziehen zu helfen. Sie überlegte, ob sie noch ein Bad nehmen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Vielleicht konnte sie sich später erfrischen, zusammen mit Aarun …
In der Zwischenzeit war Emeralds Kribbeln wieder zurückgekommen. Sie war froh, nur mit dem Seidenmantel bekleidet zu sein. Um sich ein
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