Kriegssinfonie Band 1: Soldat (Die Kriegssinfonie) (German Edition)
ihm klar, dass er völlig falsch lag. Diese Stücke waren nicht irgendwelche einzelne Steine, sondern bildeten vielmehr ein ganzes Gebilde. Für den winzigen Bruchteil eines Herzschlages schienen sich die Fragmente in ihre ursprüngliche Position gedreht zu haben und ihm wurde klar, dass diese einmal eine Büste gebildet hatten. Er blicke einem steinernen Abbild von Queen entgegen, ehe sich das Gebilde wieder bewegte und er nichts mehr darin sah.
Er verstand nicht, wie sich die Steine in der Luft hielten.
Ich glaube, ich muss akzeptieren, dass es Dinge gibt, die ich nicht begreifen kann.
Sie alle hatten feierliche Mienen aufgesetzt. Flex trat vor und legte ein Bündel schwarzer Kleidung auf den Boden. Faolan war klar, was er tun musste, und so überwand er die kurze Distanz, die zwischen ihm und dem Bündel lag. Er ließ den violetten Morgenmantel von den Schultern gleiten und hob die Kleidung auf. Sie war tatsächlich nicht aus Leder, sondern aus einem weichen, fließenden Stoff, der sich dennoch stark zwischen seinen Fingern anfühlte. Eine weite Hose und ein Hemd sowie Unterwäsche gehörten dazu.
Niemand sprach, während er sich anzog. Nur die glühenden Kohlen ließen ab und zu ein Knistern hören. Schließlich stand er voll angekleidet da. Eine Stimme ertönte, weich und fließend. Faolan brauchte eine Weile, bis er bemerkte, dass Tau sprach, denn er kannte ihre Stimme noch nicht. Er gab zu, für einen kurzen Moment hatte er geglaubt, die zerbrochene Statue rede mit ihm.
Trotz ihres jungenhaften Aussehens hätte ihre Stimme femininer nicht sein können: „Die Göttin heißt dich willkommen und auch wir heißen dich willkommen. Das Schicksal hat dich zu uns geführt und wir sind froh darüber, dich in unseren Kreis aufzunehmen. Wir werden deine Familie sein und für dich sorgen. So wie auch du nach einiger Zeit hoffentlich für jeden einzelnen von uns da sein wirst. Von diesem Zeitpunkt an bist du unser Bruder - Shade.“
Faolan nickte, weil er nicht wusste, wie er sonst seine Zustimmung zeigen sollte. Sogar sein neuer Name, Shade , gefiel ihm. Ja, damit konnte er leben.
Die Kleiderübergabe und die Namensgebung waren alles gewesen, was der einfache Initiationsritus enthielt. Mit einem letzten Blick auf die Fragmente der Büste über dem See verließen die Menschen die Grotte.
Auf dem Rückweg wollte er von Mythos wissen, ob es einen Plan der Gänge und Räume des Tempels gebe. Schließlich wollte er beim nächsten Gang auf die Toilette nicht abermals den ganzen Umweg der letzten Nacht bewältigt müssen. Mythos schenkte ihm einen milde belustigt wirkenden Blick, meinte dann aber: „Es existiert kein Plan auf Papier. Das wäre viel zu gefährlich. Wenn jemand ihn entdecken würde ...“ bevor Shade enttäuscht sein konnte, erzählte ihm Mythos von seinem Talent. „Meine Kräfte basieren auf dem da.“ Er tippte sich an die Stirn. „Hat eine Menge mit Vorstellungskraft zu tun. Unter anderem kann ich dir damit den Plan zeigen.“
Shade stolperte, als vor ihm in der Luft plötzlich ein zerfleddert aussehendes Stück Pergament hing.
„Du kannst es in die Hand nehmen“, forderte ihn Mythos auf. Der junge Mann zögerte, diese Karte war bloß eine Projektion, ein Gedanke, mehr nicht. Doch die Tierhaut unter seinen Fingern fühlte sich echt an. Selbst die Tintenlinien, die sich leicht von ihrem glatten Untergrund abhoben, spürte er.
„Meine Güte, wenn sich das schon echt anfühlt …“ Er sprach nicht weiter, weil er sich nicht traute, das Ende des Satzes auszusprechen. Nicht weil es ihm an Mut fehlte, sondern weil ihm die Vorstellung, was mit real gewordenen Gedanken alles möglich war, Angst einjagte.
Mythos schien seine Gedanken zu erraten. „Wir sind alle gefährlich.“
Shade lächelte schief. Irgendwie beruhigte ihn diese Aussage nicht wirklich.
Eine Woche verging, ohne dass Shade je ein Stück Himmel gesehen hätte. Obwohl ihr Versteck direkt unter der größten Stadt des Landes lag, erhaschte er nie einen Blick auf einen Einwohner Karmas. Ab und zu verschwanden einer oder zwei von ihnen, um Essen zu beschaffen – dessen Qualität übrigens gut war. Offenbar lag niemandem daran, einen von ihnen krank zu sehen. Shade wurde aufgetragen, sich um die Böden zu kümmern. Zum Glück betraf diese Aufgabe nur jene Räume, die sie regelmäßig benutzten. Zwar teilten sie sich ihre Schlafzimmer, doch jedem Mitglied gehörte ein eigener Raum, um seine Kräfte und Kampffertigkeiten zu testen oder
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