Kriegssinfonie Band 1: Soldat (Die Kriegssinfonie) (German Edition)
Die Narbe war stabil genug, dass sie nicht bei der ersten ungeschickten Bewegung aufbrechen würde. Er schlüpfte vorsichtig aus der Schlinge und ließ den Unterarm probehalber ein paar Mal kreisen. Dann griff er sich einige Schatten und formte daraus Kraft seiner Gedanken eine Schiene. Die weiten Ärmel seines Gewandes würden sie wunderbar verdecken. Er konnte sich wieder uneingeschränkt bewegen und schützte doch seine Verletzung.
Damit kann ich leben.
Mit einem zufriedenen Ausdruck im Gesicht zog er sich an und verließ die Kabine.
Ein Glücksgefühl durchströmte ihn, als die erste Brise ihn streifte. Die Emsigkeit all der Seeleute beeindruckte ihn auf Anhieb, sodass er im ersten Augenblick nur dastand, beobachtete und genoss. Der Himmel war tief mit Wolken verhangen, doch die Abwesenheit der Sonne konnte ihm die Laune nicht verderben.
Wahrlich, ein wunderbarer Tag. Der Kapitän hatte recht.
Vergnügt schlenderte er zur Reling und beobachtete das vom Schiff aufgewirbelte Wasser. Sie machten gute Fahrt und durchpflügten zielstrebig die Wassermassen. Die Breeze hatte prall gefüllte Segel.
„Willst du bereits baden gehen?“ Rock trat neben ihn. Seine Wangen waren von der frischen Luft gerötet.
„Nein. Ich wollte bloß wissen, ob die Breeze Ruder hat, falls der Wind einmal ausbleiben sollte“, rechtfertigte Shade sein Verhalten.
„Du willst immer alles ganz genau wissen, was?“, meinte der andere.
Shade zuckte mit den Achseln. „So bin ich eben.“
„Aber um die Schweinefische zu sehen, musst du auf die andere Seite. Komm!“
Der junge Arzt folgte dem Hünen. Als sie das Deck überquerten, fiel sein Blick auf eine Gruppe bunt gekleideter Menschen. Sie standen zusammen und unterhielten sich lebhaft. Queen bemerkte seinen Blick und wandte sich prompt um. Sie war zu weit entfernt, als dass er ihre geschürzten Lippen und die Falte auf der Stirn hätte erkennen können, aber er konnte sich den kritischen Ausdruck auf ihrem hübschen Gesicht gut vorstellen. Offenbar missbilligte sie seinen kleinen Ausflug.
Gönnt sie mir denn überhaupt nichts?
Kopfschüttelnd drehte er sich wieder um.
„Hier drüben.“ Shade beeilte sich, zu Rock aufzuschließen. Dieser zeigte auf eine Stelle, an der die Wasseroberfläche seltsam unruhig war. Viel mehr konnte er im ersten Moment nicht erkennen. Als er beinahe schon das Interesse an der ganzen Sache verlor, brach etwas Riesiges aus dem Wasser hervor.
Shade entfuhr ein Ausruf des Erstaunens. „Kinder, das sind ja Ungetüme!“
Rock lachte laut auf. „Dachte ich mir doch, dass du die interessant findest. Hast wohl nie etwas gesehen, das größer als eine Kuh ist, oder?“, frohlockte er.
„Doch, ein Pferd. Aber, bei Thion, das ist nichts im Vergleich zu dem Ding da. Ich habe nicht gewusst, dass Fische so groß werden können.“ Shade ließ das Tier nicht aus den Augen, als es einen Bogen beschreibend durch die Luft flog und dabei einen Gischtschweif hinter sich herzog. Der massige Körper hatte die Form eines gewaltigen Fasses. Das Kopfteil war rundlich, Augen waren nicht erkennbar, da das Tier wegen seiner Farbe beinahe mit dem grauen Wasser und dem verhangenen Himmel verschmolz. Am Rumpf wedelten seitlich anliegende Flossen durch die Luft. Die Schwanzflosse verschwand als letzte wieder in den grauen Fluten. Im aufspritzenden Wasser erhoben sich andere Tiere in die Luft. Sie unterschieden sich in Form und Farbe ein wenig voneinander, doch sie alle machten den Eindruck, viel zu behände für ihre verhältnismäßig plumpen Körper zu sein.
„Findest du sie nicht beeindruckend?“, wollte Shade wissen, weil er mit einem Seitenblick auf Rocks Gesicht erkannte, dass dieser dem Naturspektakel fast totale Gleichgültigkeit entgegenbrachte.
„Nicht wirklich. Ich mag Wasser und alles, was sich darin tummelt, nicht. Ich bin viel zu schwer und kein guter Schwimmer.“ Er warf einen kritischen Blick auf das graue Nass.
„Nein. Mich kannst du mit Vögeln beeindrucken.“ Er spähte in die Wolken hinauf. „Die letzten Tage sind uns einige seltene Weißhelmkraniche gefolgt. Normalerweise trifft man sie so weit draußen nicht an. Vielleicht folgen sie uns, weil sie uns für ein Fischfangboot halten oder wir fahren zufälligerweise entlang ihrer Wanderroute.“
Shade hörte dem breiten Mann nur mit halbem Ohr zu. Er sah weiter den Schweinefischen zu, die sich immer noch im Wasser tummelten.
„Sieh! Sie kommen zurück!“ Rock beschirmte seine Augen und starrte
Weitere Kostenlose Bücher