Kriegssinfonie Band 1: Soldat (Die Kriegssinfonie) (German Edition)
nicht werden.“
Shade stimmte ihm zu. „Wenn ich nicht gerade im Bett liege, um eine Verletzung auszukurieren“, fügte er dann bedauernd hinzu.
„Genau. Das ist nämlich das Wichtigste. Sieh zu, dass du gesund bleibst. Du könntest noch immer wegen einer Verletzung oder Krankheit sterben.“
„Naja, irgendwo musste es ja einen Haken geben“, murmelte Shade
Durch seine Verletzungen musste Shade die Hälfte der Schiffsreise in seiner Kabine verbringen. Wenn er sich anstrengte, konnte er durch ein kleines Fensterchen ein Stück Himmel erhaschen. Ansonsten bekam er nichts von der Außenwelt mit.
Seine Reisebegleiter taten ihr Bestes, um ihm immer wieder zu versichern, dass er überhaupt nichts Wichtiges verpasse. Nein, er habe es sogar besser als sie. Denn sie mussten diese dämliche Maskerade einer Kaufmannsgesellschaft aufrechterhalten.
Cam beichtete Shade, dass er es langsam satthabe, Mythos Lehrling zu spielen. „Er gefällt sich in der Rolle!“, meinte er einmal. „Er kann es nicht lassen und muss mir tatsächlich die ganze Zeit über irgendwelche Rechenaufgaben stellen. Ich hasse Rechnen! Manchmal fällt es mir echt schwer, mich nicht einfach zu verstecken. Effizient genug bin ich ja darin. Aber ich denke, er würde dahinterkommen.“
Shade wusste nicht, ob er alle neuen Identitäten auf Anhieb gekannt oder sich nicht doch verplappert hätte. Da ihm seine Gesundheit wirklich am Herzen lag, übernahm er sich nicht mehr – immerhin war er ja lernfähig. Seine Tage verbrachte er abwechselnd damit, vor sich hinzudösen und zwanglose Gespräche mit den übrigen Tempelbewohnern zu führen. Mittlerweile besuchten sie ihn tagsüber einzeln, da nicht mehr mit einem weiteren Ausbruchsversuch seinerseits zu rechnen war.
Nach dem Abendmahl erschienen sie auch gerne einmal zu dritt, doch für mehr reichte der Platz in der Kajüte nicht aus.
Alle außer Shade schliefen ein Deck weiter oben. Mythos hatte anscheinend beim Kapitän des Schiffes darauf bestanden, dass Shade einen eigenen Raum bekam, damit er sich in Ruhe auskurieren konnte. Ihr Anführer übernahm ebenfalls die Überwachung von Shades Genesung. Er wechselte die Verbände am Arm und beobachtete den Verlauf der Gehirnerschütterung mit Argusaugen. Auf die Frage hin, ob er denn zum Arzt ausgebildet sei, verneinte er. „Aber ich habe über Jahrhunderte hinweg meine Leute zusammengeflickt und dabei einiges gelernt. Außerdem sollte sich ein Arzt nie selbst um seine Verletzungen kümmern. Ihr neigt, was euch selbst angeht, oft zu Fehleinschätzungen.“
Shade grinste schief. Er hatte den Wink mit dem Zaunpfahl durchaus mitbekommen.
Drei Tage vor ihrer Ankunft in Delfan erschien, zu Shades Verwunderung, der Kapitän selbst in seinem bescheidenen Reich.
Ivy, die ihm gerade Gesellschaft leistete, schien ebenso überrascht zu sein, den stattlichen Seemann hier unten zu sehen.
„Kapitän Shakti!“, grüßte sie ihn mit ihrer vollen Stimme.
„Miss Svenson, Herr Liebmann. Heute ist ein wunderbarer Tag. Wir haben soeben einige Schweinefische gesichtet. Die Gelegenheit solltet Ihr Euch nicht entgehen lassen, da sie nämlich in diesen Gewässern selten geworden sind. Wir haben kaum Wellengang, die frische Luft würde Euch sicher gut tun und außerdem würde sich ein alter Mann darüber freuen, wenn der Kopf einer berühmten Kaufmannsfamilie sein Oberdeck mit seiner Anwesenheit beehren würde.“
Der Kapitän war groß und kräftig gebaut. Sein schwarzes Haar, das ihm über den Rücken hing, war grau meliert. Trotz seines fortgeschrittenen Alters war es noch dicht und kräftig. Erwartungsvoll blickte er Shade an, der sich in jenem Moment nichts Schöneres vorstellen konnte, als sein hölzernes Gefängnis zu verlassen. Hilfe suchend wandte er sich an Ivy.
„Ich denke, das geht in Ordnung.“ Sie schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln.
„Wunderbar. Dann erwarte ich Euch in Kürze auf dem Oberdeck!“ Der Kapitän machte schwungvoll kehrt und verließ die Kabine.
„Kannst du dich alleine umziehen?“, wollte Ivy mit einem Funkeln in den Augen wissen.
Shade war versucht, zu verneinen, doch etwas hielt ihn zurück. Deshalb antwortete er: „Ich komme gleich nach.“
Leichtes Bedauern huschte über ihr Gesicht, doch dann ging auch sie. Shade schlug die Decke zurück und stand auf. Mittlerweile dauerte es nicht mehr so lange, bis er sein Gleichgewicht gefunden hatte. Sein Arm lag immer noch in der Schlinge, doch diese Tatsache wollte er nun ändern.
Weitere Kostenlose Bücher