Kriegssinfonie Band 1: Soldat (Die Kriegssinfonie) (German Edition)
musste, wagte sich auf die Straßen.
Die meisten Bürger der Hauptstadt hatten in ihrer Arroganz vergessen, dass sie nicht die ersten Bewohner waren, die diese Stadt für sich beanspruchten. Niemand wusste, wie alt der Palast war und wer ihn erbaut hatte. Selbst die Gelehrten der Universität von Karma tappten im Dunkeln, wenn es um die Frage ging, welches großartige Volk imstande gewesen war, solche Bauwerke zu errichten, während die Menschen auf dem Festland noch in Lehmhütten und Höhlen gehaust hatten. Was war der Schlüssel ihrer Macht gewesen? Die wichtigste Frage war ebenfalls noch ungeklärt: Warum war die Stadt zurückgelassen worden? Als die ersten Entdecker auf ihren Booten das Binnenmeer überquert hatten, hatten sie eine verlassene Geisterstadt auf den Klippen vorgefunden. Niemand traute sich, einen Fuß hineinzusetzen. Jeder Abenteurer starrte beklemmt zu den schwarzen Gebäuden hoch und jeder hörte die Stimme, die ihm befahl, der Stadt den Rücken zu kehren.
Seitdem waren einige Generationen vergangen. Die Geisterstadt auf den Klippen war zur Legende geworden, die schließlich einen jungen Mann, Roban, so verzauberte, dass er beschloss, ihrem Geheimnis auf den Grund zu gehen. Er scharrte einige mutige Männer um sich und baute eine kleine Flotte, mit der er in See stach. Die Reise war nicht einfach. Die simplen Schiffe gerieten in einen Sturm, dem sie kaum standhalten konnten und die aufgewühlte See verschluckte zwei von sechs Schiffen. Die Verluste waren niederschmetternd und die Männer drängten Roban, umzukehren. Dann rissen die Wolken plötzlich auf und präsentierten den Überlebenden die düstere Insel mit den mächtigen Gebäuden auf ihren Klippen. Unter der Führung des tapferen Roban machten sich die Überlebenden in die verlassene Stadt auf. Auch jene Männer hatten die Stimme gehört, die sie angewiesen hatte, wieder umzukehren, doch Roban trieb sie weiter an und machte ihnen frischen Mut. Er hörte eine andere Stimme in sich, die ihn sanft zu sich rief. Während die anderen die Stadt erkundeten, schritt der junge Mann zielsicher durch die Straßen, geleitet von den süßen Versprechen der Stimme.
Komm, Liebster. Komm zu mir. Ich kann dir alles geben. Ich kann dir die Macht geben, die Welt zu beherrschen. Komm, Liebster.
Blind für die Schönheit, die der verlassene Ort in sich barg, nur offen für die süße Stimme, durchquerte er die Stadt, erklomm die steilen Klippen und betrat den prächtigen Palast. Ein sanftes, grünes Leuchten erhellte die verlassenen Gänge und wies ihm flackernd den Weg. Die Stimme lockte ihn weiter und erzählte ihm von den großen Taten, die ihm bestimmt waren.
Sie sollte sich nicht irren. Roban ging als erster König Korins und später als erster Hochkönig in die Geschichte ein. Er regierte lange und weise, doch auch ehrgeizig und hart. Sein Werk war der Grundstein zum größten vereinten Reich des Kontinents. Jeder seiner Nachkommen hatte seitdem an Korin gefeilt, um es noch größer, reicher und stärker zu machen.
Im höchsten Turm des Palastes stand nun Thanatos, Erbe und Nachfahre Robans, Hochkönig von Korin. Er hatte seinem General den Rücken zugekehrt und starrte auf die nasse Stadt herab. Seit der Hochkönig auf den Beinen war, wütete der Sturm. Jede Böe, die über die Insel hinwegfegte, brachte riesige Wassermassen mit sich. Überall sammelte sich der Regen, lief in Strömen über Stein und Fels und gelangte schließlich in die Kanalisation. Diese brachte das Wasser über ein den Karmatiern unbekanntes Leitungssystem zurück ins Meer. Die Kanalisation war ebenfalls ein Überbleibsel der Erbauer der Stadt. Da sie immer noch einwandfrei funktionierte, machte sich kaum jemand Gedanken darüber.
Thanatos fühlte sich in seinem Turm sicher. Auch wenn das Wasser vom Meer her steigen würde, bis zu ihm hinauf würde es sicher nicht kommen.
General Voltans Laune war dem Wetter entsprechend. Der Sturm hatte sämtliche Nachrichten zu spät eintreffen lassen. Dieses Mal waren es gute Nachrichten, nur deren verzögertes Eintreffen war ärgerlich. Sie hätten mehr Pech haben können. Falls es nämlich schlechte Nachrichten gewesen wären, hätte er viel zu spät reagiert. Algier Voltan mochte kein Glück. Zufälle, Schicksal, Gottvertrauen - das war gut genug für das gemeine Volk, nicht für ihn. Schließlich musste er alles unter Kontrolle halten, und wenn etwas gut lief, dann war das sein Verdienst und nicht der irgendeines Gottes.
Der
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