Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
Vom Netzwerk:
...

    Im Nordosten aber hatte nicht einmal Karl »der Große« sonderlich ausgreifende Absichten gehegt. Altmeister Hauck meint sogar, der Kaiser habe dort nur an die Behauptung der »natürlichen Grenzen« gedacht. »An der Elbe hatte der große Eroberer keine Eroberungspläne ... Karl ließ sich nicht dazu verleiten, wendisches Gebiet dem fränkischen Staatswesen einzuverleiben ... Der Beweis liegt vor allem darin, daß nicht das Geringste geschah, um die Wenden zum Christentum zu bekehren.«
    Mag dies schon ein etwas kühner Schluß des Verfassers der gewiß noch immer gewichtigen »Kirchengeschichte Deutschlands« sein, so ist noch bemerkenswerter seine Meinung, auch die späteren Karolinger, Ludwig der Fromme, Ludwig der Deutsche, dessen Söhne und deren Nachfolger hätten an dieser »Defensive« Karls im Osten festgehalten, die ostfränkischen Fürsten seien durch das ganze 9. Jahrhundert über diese »defensive Politik«, über die fortgesetzte kraftlose, nie weiterführende Folge von Abfall und Unterwerfung, Verweigerung des Tributs und Nötigung zum Tribut, nicht hinausgekommen (vgl. dazu bes. S. 157 ff.).
    Dagegen erscheint Albert Hauck im 10. Jahrhundert das liudolfingische Engagement als wahres »Glück«. »Denn mochten auch die sächsischen Herzoge zunächst nur um Sieg und Beute kämpfen, so führte doch ihre Überlegenheit im Felde von selbst dazu, daß an Stelle des Raubkriegs der Eroberungskrieg trat. Es ist das Verdienst des Herzogs Otto, wendisches Gebiet zuerst wirklich der deutschen Herrschaft unterworfen, wendische Stämme zuerst an die Botmäßigkeit unter deutschen Fürsten gewöhnt zu haben. Mit Kraft und Erfolg setzte Heinrich I. das von ihm begonnene Werk fort: an die Stelle der defensiven Politik trat an der ganzen langgezogenen wendischen Grenze jetzt die Offensive.« »In diesem Gebiet haben Herzog Otto und König Heinrich die Grundlage der deutschen Herrschaft und damit der deutschen Nationalität gelegt.«
    »Seit der Besiegung der Dänen im Jahre 934 war vollends das deutsche Übergewicht über die Slaven gesichert. Auf der ganzen Linie vom Erzgebirge bis zur Eider wurde die deutsche Herrschaft über das wendische Land ausgedehnt ... An die Stelle einer sehr losen Abhängigkeit trat die mehr oder weniger bestimmt ausgesprochene Einverleibung. Man ermißt die Bedeutung dieser Erfolge, wenn man sich vergegenwärtigt, daß das Gebiet, das auf diese Weise mit dem Reich verbunden wurde, an Umfang größer war, als das irgend eines deutschen Stammes. Die wendischen Eroberungen sind die weltgeschichtliche Tat Heinrichs I. Durch sie hat er das deutsche Volk in das Gebiet geführt, in das sich nach fast einem Jahrtausend der Schwerpunkt der deutschen Macht verlegen sollte.« 11
    Na, wunderbar. Wir werden den Spuren dieser »deutschen Macht« folgen, von Band zu Band, dem deutschen Wesen, an dem der Osten genesen sollte ...
    Von Opfern ist hier natürlich nicht die Rede, weder von eignen noch gar von den Opfern der andern. Blut? Kein Tropfen, sozusagen. Schließlich ist dies eine saubre Sache, rundum glorios. Man siegt. Man siegt, weil man stärker ist. Man erobert, bezwingt, bezwingt wieder, unterwirft, unterwirft von neuem, man behauptet sich, man bricht die Kraft eines Stammes, nötigt zur Anerkennung, vor allem auch immer wieder zur Anerkennung der Tributpflicht, man gewöhnt an die Botmäßigkeit, man dehnt die deutsche Herrschaft weiter aus. Ah, eine wirklich schöne Sache! Und Blut fließt da nicht. Und Unrecht herrscht da nicht. Nicht Flucht auch, Vertreibung, Versklavung, nicht Not und Tod. Nur – die »deutsche Macht«, die »deutsche Herrschaft«, »die weltgeschichtliche Tat«! Und natürlich widmet ihr der Theologe und Kirchenhistoriker Hauck, der sein opus magnum in der Wilhelminischen Ära schreibt, immerhin etliche Seiten – längst bevor Heinrich Himmler und Alfred Rosenberg »ihre Liebe zu dem ›urgermanischen‹ Heinrich entdeckten, was eine Literatur entsprechenden Niveaus hervorrief ...« (Brühl).

...und Historiker heute

    Da aber die politische Großwetterlage nun anders aussieht, die historische Konstellation sich etwas verschoben hat, vermittelt man auch ein etwas anderes Geschichtsbild. Heinrichs »weltgeschichtliche Tat«, die natürlich gar nicht mehr als solche figuriert, wird jetzt gern heruntergespielt, so knapp wie möglich behandelt, fast eskamotiert und selbstverständlich ganz anders akzentuiert.
    Der Mediävist Eduard Hlawitschka, beispielsweise, widmet

Weitere Kostenlose Bücher