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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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Autorität.« »Es war die Rache der kirchlichen Partei« (F. Schneider). Es waren dieselben Leute, die schon die Erhebung von 830 betrieben hatten, durch neue Opportunisten vermehrt, waren vor allem, wenn auch keinesfalls allein, die Kirchenführer aus Westfrancien, Burgund, Aquitanien, die Erzbischöfe von Reims, Lyon, Vienne, Narbonne, die Bischöfe von Amiens, Auxerre, Troyes. 66
    Noch vor 33 Jahren hatte Karl I. Papst Leo III. gerichtet (IV 446 ff.). Jetzt richtete der fränkische Episkopat den Kaiser! Mit der kläglichen Zeremonie, der größten Schmach im Leben Ludwigs, eine der tiefsten Demütigungen der Fürsten überhaupt, weit schlimmer als Canossa, war Ludwig der Fromme auch von der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen und durfte nur noch mit wenigen, ganz bestimmten Personen verkehren und sprechen. Als man deshalb Lothar die Gefangenschaft des Vaters vorhielt, konnte er mit Recht erwidern, daß ihn doch die Bischöfe dazu verurteilt hätten. »Niemand«, sagte er, »habe mehr Mitgefühl mit dem Wohl und Wehe seines Vaters als er, nicht ihm dürfe man es als Schuld anrechnen, daß er die ihm angebotene Herrschaft übernommen habe, da ja sie selbst den Kaiser abgesetzt und verraten hätten, nicht einmal die Kerkerhaft könne man ihm zum Vorwurf machen, da es ja bekannt sei, daß sie durch das Urteil der Bischöfe verhängt wurde.«
    Als Ludwigs Kerkermeister fungierte der Erzbischof Otgar von Mainz. 67
    Eine Hauptrolle in dieser Tragödie, die zwischen 833 und 843 eine Kette von Bürgerkriegen auslöste, hatte kein anderer als der mit Agobard von Lyon eng befreundete Erzbischof Ebo von Reims gespielt, geradezu ein Prototyp geistlicher Undankbarkeit und Verräterei – und auch ein Mann mit beachtlichen Missionserfolgen. War er doch vor Jahren »nach dem Rat des Kaisers und mit Ermächtigung des Papstes nach dem Land der Dänen gezogen, um das Evangelium zu predigen« und hatte »viele von ihnen bekehrt und getauft ...«
    In der Tat gilt dieser von Papst Paschalis I. zum Legaten des Nordens ernannte Prälat im Rahmen der karolingischen Skandinavienpolitik als der Initiant der nordischen Mission. Einst hatte Karl »der Große« den Nachkommen von »Ziegenhirten«, den Sohn eines unfreien Bauern, in seine Hofschule aufgenommen, hatte ihn Ludwig, als König von Aquitanien von Jugend an mit ihm befreundet, zum Hofbibliothekar, als Kaiser 816 zum Erzbischof von Reims und Abt von St. Remi, aus dem Nichts also fast zu einem der ersten Männer des Reiches gemacht. Jetzt aber stieß er seinen kaiserlichen Freund und Förderer, der auch noch den Kirchenfürsten oft begünstigte, in dessen schlimmster Stunde vom Thron. »Sie suchten damals«, schreibt Chorbischof Thegan, »einen frechen und grausamen Menschen aus, Bischof Ebo von Reims, aus ursprünglich unfreiem Geschlecht, daß er den Kaiser mit den Lügen der übrigen unmenschlich peinigte.« Ein Prälat war also frech und grausam, die übrigen logen auf Teufel komm raus, kurz, die ganze heilige Meute fiel über den Herrscher her. »Unerhörtes redeten sie, Unerhörtes taten sie, indem sie ihm täglich Vorwürfe machten ...« Und kein anderer als Ebo verdonnerte im Oktober 833 zu St-Médard in Soissons seinen einstigen Gönner persönlich zur Kirchenbuße, wofür ihm Lothar die Abtei St-Vaast gegeben haben soll.
    Von Compiègne trieb man Ludwig, »den frömmsten der Fürsten«, so nennt ihn Thegan nicht nur einmal, nach Aachen. Und der ihn trieb, war auch ein katholischer Fürst, sein eigener Sohn! Und in Aachen verhielt sich der ganze katholische Klüngel »nicht nur nicht menschlicher«, klagen die Jahrbücher von St. Bertin, »sondern seine Feinde wüteten noch viel grausamer gegen ihn, indem sie Tag und Nacht bemüht waren, durch so schwere Kränkungen seinen Mut zu brechen, daß er freiwillig die Welt verlasse und sich in ein Kloster begebe«. 68

Das gewissenlose Bischofspack wechselt abermals die Front

    Nach Ludwigs Absetzung 833 folgten langjährige schwere Kämpfe nicht nur zwischen Vater und Söhnen, sondern, unter Vertauschung der Fronten, auch zwischen den Brüdern. Die Gier nach diversen Herrschaftsanteilen führte zu wechselnden Koalitionen, je nach dem Vorteil, den man sich versprach; das beständigste politische Prinzip, das punctum saliens schlechthin.
    Zunächst versuchten offenbar alle drei Brüder ihre Macht zu erweitern, Pippin von Aquitanien und Ludwig der Deutsche gegen Lothar, dieser gegen jene. Auch stritten sich die führenden Magnaten,

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