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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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mosaikartig vermischt, doch auch das Falsche nicht völlig frei erfunden, sondern aus echten Texten von Päpsten, Synoden, Kirchenschriftstellern zusammengebastelt, mit vielen Auslassungen, Zufügungen, Änderungen. Immerhin stecken darunter mehr als hundert gefälschte und verfälschte Papstbriefe, meist aus den ersten drei Jahrhunderten, in denen man römische Dekretalen gar nicht gekannt hatte. Kaisererlasse aus dem 5. Jahrhundert, etwa des Theodosius II., erscheinen als Papstverordnungen des 1. Jahrhunderts, Passagen der Synode von Paris (829) wörtlich in einem Text des fast zwei Jahrhunderte früher gestorbenen spanischen Kirchenlehrers.
    »Es dürfte in der ganzen Geschichte kaum ein zweites Beispiel aufzufinden sein von einer so vollständig gelungenen und dabei doch so plump angelegten Fiction.« So urteilte einst Kirchenhistoriker Ignaz von Döllinger (der nach seiner Exkommunikation 1871 ohne formellen Beitritt die Altkatholische Kirche unterstützte). Papsthistoriker Seppelt spricht dagegen von einer mit »großer Umsicht« vorbereiteten und unterbauten, »in ihrer Art großartigen Fälschung«. Papsthistoriker Kühner nennt sie geradezu die »erfolgreichste Fälschung der ganzen Kirchengeschichte«. 11

b) Zweck

    Als Zweck ihres Betrugs, der alles mögliche beinhaltet, liturgische, dogmatische, moralische, erbauliche Ergüsse, nannten die Betrüger selbst die systematische Sammlung der weit verstreuten Kirchenrechtsquellen; natürlich glatt gelogen. Vielmehr war es ihre Absicht, da das alte Recht für den Klerus unbrauchbar war, neues Recht zu schaffen, durchzusetzen und dabei vor allem die Macht der Bischöfe sowohl gegenüber dem Staat als auch gegenüber dem großen Einfluß der Metropoliten enorm zu stärken.
    So soll die Anklagemöglichkeit der Bischöfe stark eingeschränkt, ihre Verurteilung und Absetzung außerordentlich erschwert, praktisch unmöglich gemacht werden. Sie, die panegyrisch als »Augen des Herrn«, »oberste Priester«, »Heilige«, »Götter« u.a. gefeiert werden, darf kein Laie, auch kein niederer Geistlicher, kein Untergebener, die man dafür mit Ehrlosigkeit und Exkommunikation bedroht, anklagen, schon gar nicht bei weltlichen Gerichten. Geschieht es doch, sind 72 Belastungszeugen nötig, was die Verurteilung eines Bischofs faktisch nahezu ausschloß. Auch sollte über ihn nur eine vom Papst genehmigte kirchliche Synode richten dürfen. Die Kompetenz weltlicher Justiz wird dabei gänzlich ausgeschaltet. Denn dem Bischof ist nicht nur das Volk, sind auch die Fürsten untergeordnet. Ihm haben sie, wie man mit großem Nachdruck fordert, zu gehorchen, da er über allen Fürsten stehe und nur von Gott und dem Papst oder von dessen Ermächtigtem zu richten sei, was häufig wiederholt wird.
    Was den Bischöfen nützt, nützt natürlich besonders dem Bischof von Rom. Und tatsächlich profitiert er durch die monströse klerikale Mogelpackung am meisten. Denn ihm allein gehört die Fülle der Macht. Er ist nicht nur Priester, sondern auch König. Und steht schon die bischöfliche Würde über der königlichen, so noch viel mehr die päpstliche. Der Papst ist, wie man es Felix II. in den Mund legt, »gleichsam das Haupt der ganzen Welt«. Deshalb verleihen ihm die Fälscher sogar das Recht, Staatsgesetze aufzuheben.
    Ordneten sie aber dem Papst noch die Gewalt der Könige tief unter, erkannten sie ihm erst recht »die Diktatur« in der Kirche zu. Schärften sie doch jedermann ein, daß der Papst der alleinige Gesetzgeber und Richter der Kirche sei, daß ohne seine Erlaubnis weder ein Metropolit noch eine Synode etwas Gültiges beschließen, daß ohne seine Genehmigung gar keine Synode zusammentreten könne etc. Ja, nach den geistlichen Ganoven besaßen bereits die Päpste der frühesten Zeit Rechtsbefugnisse, die nicht einmal ihre viel späteren Nachfolger hatten.
    Schon der hl. Leo IV. verwendete die Fälschung, die ihm Reimser Kleriker ganz oder auszugsweise präsentierten. Viel häufiger zog sie der gleichfalls hl. Nikolaus I. als Rechtskodex heran. Er benutzte sie seit dem Jahr 864, weil er ihre enormen Vorteile für den Römischen Stuhl schnell erfaßte. Ergo erklärte er die Echtheit eines Werkes, das Erzbischof Hinkmar von Reims sogleich nach seinem Erscheinen als Fälschung erkannte, was Hinkmar jedoch keinesfalls hinderte, sich dieser wiederholt selbst zu bedienen, sobald es ihm zustatten kam. 12
    Dem Papsttum am meisten nützten auf die Dauer die pseudo-isidorischen

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