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Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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Reliquien voran. Sie sprachen Gebete, Litaneien, intonierten fromme Lieder, etwa das beliebte »In Gottes Namen fahren wir ...«. (Noch über meinem Bauch stand im Zweiten Weltkrieg: »GOTT MIT UNS«. Und bei vielen stand und steht es leider noch immer auch im Kopf.) Dann stürzten sich die in jeder Hinsicht Aufgerüsteten, fest um das Banner, das geweihte, geheiligte, geschart, auf den bösen Feind mit den allerreligiösesten Schlachtrufen, mit »Kyrieleison« oder den Namen diverser Heiliger, wie des hl. Benedikt. »Christ ist geboren«, schrie Erzbischof Christian von Mainz, in Gedanken vielleicht noch bei seinen zahlreichen Lustweibern (S. 527). Der Bischof von Basel rief auf dem Marchfeld, Schauplatz so vieler Gemetzel durch zwei Jahrtausende: »Sant Marei, Mutter und Maid, all unsere Not sei dir geschlait.« Die Reichstruppen brüllten »Rom«, die Franzosen »Montjoie«, die Normannen »Gott hilf«, die Kreuzritter »Heiliges Kreuz«. Und dann begann die Arbeit, das eigentliche Wirken im Weinberg des Herrn ...
    So beinah pausenlos aber auch die Christianitas, zumal die katholische, im Mittelalter Krieg geführt hat, Zeit, um zusammenfassende Kriegs
geschichten
zu schreiben, fand sie kaum. Bezeichnenderweise begannen damit erst die Humanisten. 21

Militärisches Draufgängertum der Bischöfe »geradezu eine Art Voraussetzung für die Heiligkeit«

    Die Beteiligung des Klerus, besonders des hohen, am Kriegsdienst resultierte aus verschiedenen Faktoren: aus dem Umschlag des rigorosen christlichen Pazifismus in das abscheulichste, die Geschichte durchgellende Schlachtgeschrei (I 247 ff.); aus einer gewissen Germanisierung (IV 32 ff.); aus dem enormen kirchlichen Grundbesitz, der seinerseits wieder zur Immunität und Vasallität führte, zur Herausbildung des Heer-und Burgbannes, die jedoch auch ausdrücklich verliehen wurden. Beim Heerbann stand der Bischof an der Spitze der Schlächter, der Burgbann gab dem hohen Klerus das Recht, Befestigungen anzulegen.
    So geboten allmählich alle Bistümer über ihre militia, über milites, Vasallen, Ministerialen, die für ein Lehen oder Dienstgut hauptsächlich zum Kriegsdienst für den König verpflichtet waren. Dabei rekrutierten die Bischöfe ihre Truppe mit Vorliebe aus ihren Verwandten. Ebenso verfügten die meisten Klöster über militärische Mannschaften, nicht nur die reichsunmittelbaren, sondern auch die Eigenklöster des Königs sowie die der weltlichen und geistlichen Großen.
    Schon seit der Völkerwanderung werden die Prälaten »zentrale Träger des Widerstandes« (F.G. Maier) gegen die Germanen. So verteidigt sich bereits zu Beginn den 5. Jahrhunderts Toulouse unter seinem Bischof gegen die Wandalen. So ruft der um 410 geborene St. Severin die Noriker zum militärischen Einsatz gegen die Alemannen auf und kommandiert persönlich das Unternehmen. 470 leitet Oberhirte Sidonius Apollinaris, Schwiegersohn des gallischen Gegenkaisers Avitus, die Verteidigung von Clermont-Ferrand (Avernum) wider die Westgoten.
    Unter den Merowingern – sie kämpften »primitiv«, schreibt seinerzeit der griechische Dichter und Historiker Agathias, mit Wurfspießen und, ihre wichtigste Waffe, der Streitaxt – stritt der hohe Klerus schon selber an der Spitze seiner Haufen. In der Schlacht bei Embrun 571 fechten der Ortsbischof und der Bischof von Cap gegen die Langobarden und erschlagen, so ein zeitgenössischer Prälat, »sehr viele mit eigener Hand«. Seelenhirte Sagittarius, ein großer Säufer und Hurenbock, reitet damals ins Gemetzel »nicht gewappnet mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes, sondern mit dem weltlichen Brustpanzer und einem Helm« (vgl. IV 269 ff.). 26
    Im 7. Jahrhundert sind schlachterfahrene Bischöfe – Leodegar von Autun etwa (IV 286 ff.), Desideratus von Chalon-sur-Saône, Bobo von Valence oder Genesius von Lyon – schon ganz »normal«, wird militärische Tüchtigkeit (ähnlich wie adelige Abkunft) »geradezu eine Art Voraussetzung für die Heiligkeit« (Prinz).
    Man sieht das gleich an Emilianus, dem 725 gefallenen Christenhaupt von Nantes. In der an Helden und Heiligen so reichen Bretagne geboren, focht er dreimal wie ein Berserker gegen die Sarazenen, streckte selbst ihren bösen General Nympheus nieder, zerschmettert, zerstreut, reißt seine Kombattanten, von ihm zweifach gestärkt, durch sein tollkühnes Beispiel und »die himmlische Speise« (Donin), zu wahren Großtaten im Totschlagen hin, ruft fallend noch, für die heilige Kirche zu kämpfen, zu

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