Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
Er ist auch nachweislich der Mörder von vier Päpsten, die er durch einen seiner Vertrauten, den Johannes Brachiuti, vergiften ließ. Schweigen auch sonst alle darüber, so hat es doch dieser Johannes selbst in der Todesangst, von allzu später Reue gefoltert, auf seinem Sterbebett mit gräßlichem Geschrei eingestanden.«
Und nach dem Hingang des Papstes Alexander, so heißt es weiter in der Brixener Erklärung, habe Gregor »den lateranensischen Palast in feindseliger Weise mit ausgerüsteter Kriegsmacht besetzt, die Geistlichkeit, damit sie nicht zu widersprechen wage, weil keiner ihn wählen wollte, durch die gezückten Schwerter der Gefolgsleute unter Androhung des Todes in Schrecken gebracht, und er ist früher auf den längst besetzten bischöflichen Stuhl gesprungen, als den Körper des Gestorbenen das Grab in Besitz nahm«.
Wie viel oder wenig immer von all diesen Inkriminierungen zutrifft: Kardinal Hugo Candidus, der anstelle – dessen gab er sich den Anschein – aller römischen Kardinäle unterzeichnete, und fast dreißig katholische Bischöfe verbürgten mit ihrem Namen auch die evidenten Lügen! Jedenfalls, so dekretierte kraft all dem die Versammlung am 25. Juni, sei Gregor »nach den kirchlichen Satzungen abzusetzen, zu vertreiben und wenn er nicht selbst abdanke, zu exkommunizieren«. Und außer dem Papst belegten die Synodalen auch seine führenden Anhänger, Rudolf von Rheinfelden und Welf IV. von Bayern, mit dem Bann. Gleichzeitig nominierten sie, wohl vor allem auf Druck der Lombarden, einen neuen Papst, den von Gregor mehrfach gebannten und verdammten einstigen italienischen Kanzler Wibert von Ravenna, der sich nach seiner Inthronisation 1084 Clemens III. nannte. 62
Zwar hatte Gregor noch bei Antritt seines Regiments dem »Erzbischof Wibert von Ravenna Heil in Christus Jesus« gewünscht. Ja, noch fünf Jahre später, 1078, wollte er »keineswegs«, wie er ihm schrieb, »sich an Eurem Untergang weiden«, sondern seinem »Heil zu Hilfe kommen«. Noch im selben Jahr aber ist er für ihn »jener, der jetzt Bischof der Kirche Ravenna heißt«. Hat er diese doch, einst überreich und gottesfürchtig, verdorben »durch tyrannische Plünderung«, »durch das Beispiel unfrommen Lebens«, hat, verstrickt in »viele andere Missetaten«, das Schlimmste, aus dem alles Sonstige herrührt, »geschwollen vom Stolz des Hochmuts, die Ferse gegen den Apostelfürsten erhoben und verharrt im Ungehorsam, der dem Verbrechen des Götzendienstes gleichkommt«. Eine derart kriminelle Kreatur verfällt fraglos seinem Bannstrahl. Und auch alle, die sich ihm »zu widersetzen wagen, schneiden wir als faule Glieder aus dem ganzen Leib Christi – der die katholische Kirche ist – durch das Schwert des Anathems heraus ...«. Den anderen dagegen, die Gott lieben und die »dem heiligen Petrus gehorsam« sind, gewährt er generös »den Nachlaß aller Sünden. Gegeben zu Rom ...« 63
Gregor malt, nach der großen Tradition seiner Kirche von Anbeginn, vom Neuen Testament an (vgl. bes. I 143 ff.), durchgehend schwarzweiß. Er, der andere edel unterweist, »daß Ihr nämlich immer die Gerechtigkeit und keinesfalls die Parteien fördert, entsprechend unserem Vorbild« (!), er ging niemals den Weg der Gerechtigkeit, sondern immer nur den der Partei, seiner eigenen, selbstverständlich, die er allerdings mit der Gerechtigkeit gleichsetzt. Dagegen werden Christen, die gegen ihn sind, »versammelt durch den Umtrieb des Teufels«. Sie treiben »das Verbrechen des Götzendienstes« und gehören zu den »Bösen«, deren Rat »wie Gift« ist. Wer aber pariert, sich unterwirft, der liebt Gott und ist gut. Alles andere wird unentwegt verflucht, verketzert, verteufelt. Alle Gegner des Papstes geben »die Braut Christi dem Teufel preis«, sind »Spießgesellen des Teufels«, »Vorläufer des Antichristen«, »denn je näher die Zeit des Antichristen rückt, desto mehr kämpft er auf Leben und Tod, die christliche Religion auszulöschen«. Der »alte Feind« bewaffnet seine Glieder, »um alles ins Gegenteil zu verkehren«.
Gregor malt auch gern, und gleichfalls nach schon uraltem christlichen Muster, ein dramatisches, nach Verfolgung riechendes Szenario. (Verfolgung ist fast immer gut für sie!) Ja, »bis heute das Toben tyrannischer Verfolgung erleidet« er, erleidet seine Kirche. Und da fliehen »die Hirten und die Hunde, die Verteidiger der Herde, und ohne daß jemand widerspricht dringen Wölfe und Räuber auf die Schafe Christi ein
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