Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
Heiles willen«, nach Deutschland ziehen, »mit oder ohne Zustimmung des Königs«, und dort den Thronstreit entscheiden. Dabei interessierte ihn nur eine Frage: wer gehorcht, wer unterwirft sich Rom völlig, wer nur scheinbar. Die Zeit indes kam ihm nicht entgegen. In keinem Lager traf er auf große Sympathien, in jedem jedoch auf unverhohlenen Argwohn. 56
Nach der Fastensynode 1078 schickte der Papst, laut einem Annalisten, die beiden teilnehmenden Bischöfe Heinrichs IV. ohne die Abgesandten Rudolfs, wenn auch höchst vorsichtig versteckt, mit seinem apostolischen Ablaß und Segen zurück. Im selben Jahr sandte er auch seine Legaten nach Deutschland und erklärte, wer ihnen widerstehe, werde »in allen seinen Dingen die Rache des allmächtigen Gottes fühlen, in allen Schlachten keine Kräfte und in seinem ganzen Leben keinen Triumph haben«. Denn den Waffengebrauch erlaubte Gregor, der bereits den Gedanken des heiligen Krieges verbreitete, sehr vielsagend »zur Verteidigung der Gerechtigkeit nach dem Rate frommer Bischöfe« (consilio religiosorum episcoporum pro defendenda iustitia).
Im Winter 1079/80 stieß Heinrich überraschend nach Sachsen vor, Rudolfs Hauptrückhalt. Doch behielt der Gegenkönig am 27. Januar 1080 in der Schlacht bei Flarchheim, südlich von Mühlhausen, die Oberhand. Und nun, nach Heinrichs Niederlage, sah Gregor die Zeit gekommen, auch den letzten Anschein von Neutralität aufzugeben. Sein deutscher Anhang lieferte ihm zur römischen Fastensynode 1080 eine Beschwerde, die an Heinrich IV. kein gutes Haar ließ. In das Reich, ja immerhin sein eigenes, sei dieser entgegen dem päpstlichen Gebot »in tyrannischer Weise eingedrungen«, habe »alles rings herum mit Eisen, Plünderung, Brand verwüstet«, »unzählige Gewalttaten« begangen, »sehr viele Kirchen« verbrannt, gänzlich zerstört, »viele Tausende von Menschen« töten und den Bischof Adalbert von Worms in der Gefangenschaft peinigen lassen. »Durch sein tyrannisches Treiben ist auch der Erzbischof Wernher von Magdeburg frommen Angedenkens umgebracht worden« u.a.
So anerkannte Gregor auf der Fastensynode vom 7. März 1080 den Gegenkönig feierlich und verfluchte zum zweitenmal Heinrich, erklärte ihn für abgesetzt, behauptend, daß die Apostel Petrus und Paulus die Macht besäßen, auch auf Erden Reiche, Fürstentümer und Besitzungen jeder Art zu geben und zu nehmen. Er entband Heinrichs Untertanen von ihrem Treueid und verhieß seinen Gegnern geistlichen Lohn. Und wieder schob er effektvoll den Himmel vor sich her, diesmal noch zusätzlich den hl. Paulus bemühend: »Heiliger Petrus, Fürst der Apostel, und Du heiliger Paulus, Lehrer der Heiden, wollet – so bitte ich – mir Euer Ohr leihen und mich gnädig erhören. Da Ihr Jünger der Wahrheit seid und sie liebt, steht mir bei, damit ich Euch die Wahrheit sage ohne Falschheit – von ihr sage ich mich völlig los ...« 57
So und so ähnlich sprechen sie immer, die großen Selbstgerechten, großen Wortemacher, großen Lügner. Und nun erzählt er den hl. Peter und Paul und aller Welt, daß sein ganzer Dienst unter den Päpsten, sein ganzer Aufstieg unwillig und ungern geschehen sei: »wider Willen« bereits mit Papst Gregor übers Gebirge; »noch weniger gern« mit Papst Leo zurück; und am wenigsten gern, klar, wurde er selber Papst, wurde er »sehr ungern unter großem Schmerz, Seufzen und Klagen als ein ganz Unwürdiger auf Euren Thron gesetzt«.
Gewiß, furchtbar für einen Mann wie Gregor, der schrecklichste Augenblick wohl seines Lebens. Und schon standen auch die Horden des Teufels gegen ihn auf, standen auf der einen Seite – die ewige Schwarzweiß-Malerei der Catholica – »die Glieder des Teufels« (membra diaboli), auf der anderen »die Glieder Christi« (membra Christi). Und die Bösen »wagten« es, ihm »bis aufs Blut Gewalt anzutun«. (Angeblich soll er am Altar überfallen, eine gefährliche Verletzung freilich wie durch ein Wunder verhütet worden sein.)
Wer aber waren die »Glieder des Teufels«? »Die Könige der Erde erhoben sich, und die weltlichen und geistlichen Fürsten, die Höflinge und das gemeine Volk ...« Alle gegen den Herrn, gegen seine Gesalbten und nicht zuletzt natürlich gegen ihn – »um mich völlig durch Tod oder Verbannung zu vernichten«. Und besonders hatte Heinrich, »den sie einen König nennen, ein Sohn des Kaisers Heinrich, die Ferse gegen Eure Kirche erhoben und mit zahlreichen Bischöfen jenseits der Alpen und aus
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