Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
zusammen.
Dabei war der klerusfreundliche Monarch nicht zimperlich. Als nahe Bologna bei Verteidigung einer Burg ein Priester drei Kaiserliche durch Pfeilschüsse tötete, ließ Lothar zur Vergeltung dreihundert Menschen abstechen, in den Abgrund stürzen, verbrennen, den Geistlichen aber unter den Hufen der Rosse krepieren. Dazwischen feierte man die Feste der Christenheit, das Fest Allerheiligen, das Geburtsfest des Herrn. So hielten es die christlichen Majestäten ja seit vielen Jahrhunderten.
Später teilte man die Truppe. Dreitausend Ritter unter Heinrich von Bayern zogen in die Toskana, wo sich ihm der Papst anschloß, während der Kaiser mit dem Gros längs des adriatischen Meeres vorrückte, um dann den Krieg gegen Roger zu führen, den Innozenz seit Jahren so dringend begehrte.
Zunächst kam es bei Ancona zu einer von Lothar selbst geleiteten Schlacht, in der angeblich über zweitausend Anconitaner umkamen. Nach der Einnahme der Stadt, die dem Kaiser hundert Lastschiffe stellen mußte, um sein Vorgehen vom Meer aus zu unterstützen, feierte er im April in Fermo das Osterfest und stürmte etwa vier Wochen danach die Burg auf dem Monte Gargano, die dort den berühmten Wunderort schützen sollte, das Wallfahrtszentrum mit der Grottenkirche des Erzengels Michael. Schon Otto III. hatte hier als Pilger seine Andacht verrichtet (V 553; VI). Nun versank auch Kaiser Lothar demütig ins Gebet – bevor er, nicht anders als einst die Sarazenen, die Kapelle ausraubte: Gold- und Silbergeräte, kostbare Steine, Gewänder; schließlich war Krieg. So zögerte der fromme Beter etwas später auch nicht, vielen seiner Gefangenen die Nasen und andere Glieder verkürzen zu lassen. Oder, mit Bischof Otto zu sprechen, der Kaiser »vollbrachte in Apulien und Kampanien so tapfere Taten, daß man unter den fränkischen Königen von Karl dem Großen bis zu seiner Zeit keinen findet, der dort so große Erfolge erzielt hat«. 34
Man traf sich in Bari, Heinrich der Stolze, der Papst, der Kaiser, und feierte pompös Pfingsten, wobei es ein Wunder gab. Während des Gottesdienstes senkte sich über der Kirche vom Himmel eine goldene Krone, darüber eine Taube, darunter – vero – hin und her schwingend ein dampfendes Weihrauchgefäß, davor zwei brennende Kerzen. »Wat dit bedudde«, erklärt die sächsische Weltchronik, »dat ne wiste neman, it ne bedudde, dat de paves unde de kaiser wol vorên drogen.«
Die von oben gar originell beglaubigte Einheit also der beiden Christenhäupter, die auch dort ihres hohen Amtes weiter walteten. Der Papst u.a., indem er den von Anaklet geweihten Bischof von Bari, Angelus, feuerte und statt seiner einen gewissen Johannes berief. Der Kaiser, indem er vor allem wochenlang mit beträchtlichen eigenen Verlusten das von Rogers Recken verbissen und ebenfalls verlustreich verteidigte Kastell der Stadt »nach allen Regeln der Kunst« (Otto von Freising) stürmen und fast die ganze Besatzung niedermachen, zuvor aber, sicher auch nach allen Regeln der Kunst, viele noch verstümmeln und endlich mehr als fünfhundert Sarazenen, gleichfalls Verteidiger der Burg, rings um sie herum an Galgen hängen ließ. Diese Art christlicher Kunst rief »weit und breit einen bedeutenden Eindruck hervor« (Bernhardi).
Sogar der nicht leicht kleinzukriegende Roger wollte jetzt Frieden schließen. Er bot dem Kaiser viel Geld (infinitam pecuniam: Annalista Saxo; auri et argento multo: Otto von Freising), ja wollte selbst sein süditalienisches Reich einem seiner Söhne überlassen und zwei andere Söhne als Geiseln stellen. Doch der Kaiser lehnte, gedrängt vor allem vom Papst, brüsk ab; eine fatale Fehlentscheidung. 35
So ging der Krieg weiter. Vor Melfi stach man bei einem Ausfall von Rogers Mannschaften mehr als dreihundert Menschen nieder und beging darauf in der Stadt feierlich das Fest Peter und Paul. Doch allmählich wirkten sich die lähmende Hochsommerhitze, die Länge des Feldzugs aus, wohl auch erfolgreiche Bestechungsmanöver Rogers, sowie Mißstimmungen zwischen Bayernherzog und Papst, dem man überdies die lange Dauer des Feldzugs und noch Sizilien-Pläne des Kaisers anlastete, die auch Erzbischof Albero von Trier unterstützen sollte. Es kam zu einem Aufruhr des Heeres, das Papst, Kardinäle, den Trierer Oberhirten töten wollte.
Der Kaiser konnte den Tumult dämpfen, hatte aber bald selbst einen immer längeren und heftigeren Streit mit dem Papst wegen Monte Cassino.
An der Spitze dieses Hauses stand ein
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