Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
August 1099 im Lager vor Askalon und schlugen es – während in Jerusalem Peter von Amiens eine festliche Prozession »zu Ehren Gottes« veranstalten, Messen singen, Gebete sprechen, Almosen sammeln ließ – »im Namen des Herrn Jesu« nahezu restlos zusammen; schließlich wußte man, was man verteidigte! Auch hatte der Patriarch selbst im ganzen Heer ausrufen lassen, »er würde jeden exkommunizieren, der daran dächte, Beute zu machen, bevor die Schlacht beendet wäre; wenn das aber geschehen sei, könnten sie sich wieder der Freude hingeben, alles dessen sich zu bemächtigen, was ihnen vom Herrn vorbestimmt sei ... So wurde alles geordnet und im Namen des Herrn Jesus Christus begannen sie den Kampf.«
Alles geordnet – und der Herr in der Tat auf ihrer Seite. »Die Feinde Gottes waren verblendet«, meint der Anonymus, »denn die göttliche Macht erschreckte sie.« Die »Ritter Christi« schossen die »Ungläubigen« mit Pfeilen aus den Bäumen, holten sie mit Lanzen, mit Schwertern herunter, verbrannten sie lebendig in einem Hain, jagten sie ins Meer, wo angeblich gegen dreitausend umkamen, oder hieben den zu Boden Gestreckten noch die Köpfe ab, »wie man Tiere köpft auf dem Markt«. Hunderttausend Reiter und vierzigtausend Fußsoldaten vermochte man dem Heiligen Vater als besiegt zu melden – »Gott sei Dank!« 11
In Jerusalem, wo man ein Lateinisches Königreich zu schaffen begann, war zunächst Gottfried von Bouillon, Herzog von Niederlothringen, einer der Anführer des Ersten Kreuzzuges, zum Beschützer des Heiligen Grabes avanciert (Advocatus Sancti Sepulchri).
Das Haupt der Kreuzfahrerherrschaft führte ein kurzes, aber straffes Regiment, anscheinend jedoch mit großen Zugeständnissen an die Jerusalemer Kirche. Schon deshalb wohl und um von deren innerem Durcheinander abzulenken, wurde Gottfried bald idealisiert, legendenumrankt, ja seit dem 14. Jahrhundert zu einer »Vorbildfigur des europäischen Rittertums« (Despy) – ein Mann, so Hans Wollschläger, »von zwar schwächlichen Geistesgaben, doch starkem Arm und unverwüstlicher Frömmigkeit«; nicht nur der Herzog, nicht nur ein kleiner Teil der christlichen Ritterschaft Europas, wahrscheinlich ihr größter ist damit gut charakterisiert.
Patriarch von Jerusalem war Arnulf von Chocques geworden, über dessen Sexskandale die Soldaten Lieder sangen. Gierig beraubte er syrische wie griechische Geistliche und ließ sie so lange foltern, bis er auch das sogenannte Heilige Kreuz bekam. Überhaupt hat der fränkische Klerus den einheimischen um Land und Geld gebracht. Und natürlich tötete man die muslimischen Bauern oder vertrieb sie. »Die blühenden Lande veröden« (Heer).
Die Sache belebte sich noch, als mit einem Kreuzheer seiner Landsleute Herr Daimbert von Pisa erschien, ein von Urban II. zum Erzbischof, Metropolitan von Korsika und Legaten von Sardinien erhobener, schamlos geld- und machtsüchtiger Seelenfürst, der bösen Zungen zufolge den kastilischen Kirchenschatz entwendet hatte. Er ließ Arnulf, dessen Wahl er als ungültig bezeichnete, Ende 1099 absetzen und bestieg selbst den Patriarchenstuhl. Und schon bald lag er im Kampf mit den weltlichen Großen, die sich nach seiner Meinung unrechtmäßig der Stadt bemächtigten »zum Untergang der Kirche und zur Unterdrückung der Christenheit«. So gab es gerade in den ersten Jahren nach der Einnahme Jerusalems ständig Streit zwischen Kirche und Staat. Gottfried mußte immer mehr von seinem Machtbereich abtreten, zumal Jerusalem und Jaffa. Scheint Patriarch Daimbert doch eine Art Cäsaro-Papismus, eine große Theokratie intendiert zu haben, an deren Spitze er selber stehen wollte – was er ja nur den Heiligen Vätern abgeguckt haben konnte. Er ließ sich als Lehnsherr anerkennen, machte Gottfried und Bohemund zu seinen Vasallen und begabte sie mit eben den Ländern, die sie selbst geraubt.
Als »der ruhmreiche Herzog Gottfried« bald nach dem 18. Juli 1100 in Jerusalem stirbt (an Typhus oder einem Pfeilschuß) und, wie ihm gebührend, gleich »beim Grab des Herrn« bestattet wird, erheben die Ritter unter Zeichen und Wundern »am Himmel und auf der Erde« (Otto von Freising) seinen Bruder Balduin, den Grafen von Edessa, zum ersten König von Jerusalem. Da der Patriarch, »auf alle erdenkliche Weise bemüht, Mord und Zwietracht unter den Fürsten zu stiften« (Albert von Aachen), zu wenig Truppen hatte, rief er den normannischen Herren von Antiochia auf, Balduin den Zutritt zur Heiligen
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