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Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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Wendenkreuzzug konkurrieren. Bernhards Eifer aber hing mit seiner Eschatologie, seinem Endzeitwahn zusammen, mit dem Glauben, die Zeit sei gekommen, da Gott das Regiment des Teufels stürzen, den Krieg der Gläubigen gegen die Ungläubigen beenden, die Nichtchristen im Reich der Christen auslöschen werde.
    Sehr zustatten kam Bernhard dabei die Unlust der Sachsen, in den Orient zu ziehn. Sie hatten die Heiden ja gleich vor Augen, vor ihren Gütern, schändliche Götzendiener, deren Bekehrung sich doch bestens, den Sachsen vermutlich viel wichtiger, mit ihrem Landhunger, ihren Expansionsgelüsten gleich jenseits der Grenze, verbinden ließ. Nichts als konsequent, daß diese Sachsen dann fast sämtlich »das Kreuz« gegen die Slawen nahmen.
    Die Begeisterung war gewaltig; zumal auch noch zahlreiche Mönche ins gleiche Horn stießen, vielleicht sogar Bischöfe und Pfarrer, von denen der große Heilige ebenfalls Kreuzzugspredigten gefordert hatte; zumal er auch Sündenvergebung garantierte wie beim Kampf ums Heilige Grab; und zumal nicht zuletzt die Alternative überaus klar und eindeutig war: Tod oder Taufe, »Vernichtung oder Bekehrung« (ad delendas penitus aut certe convertendas nationes illas). Natürlich versäumte der Heilige Vater nicht, Bernhards Forderungen in einer Bulle vom 11. April 1147, geringfügig modifiziert, zu wiederholen.
    Die Ritter des Herrn, darunter der Päpstliche Legat, die Erzbischöfe von Bremen und Magdeburg sowie weitere hohe Kleriker, bildeten zwei Truppenteile, zusammen auf über 100000 Mann geschätzt; wozu noch eine dänische Flotte mit angeblich fast ebenso starker Bemannung kam. Das nördliche Heer operierte unter Führung des Bremer Metropoliten und Heinrichs des Löwen, scheiterte jedoch bereits vor der Burg Dobin (auf der Landenge zwischen Schweriner See und Döpe) des heidnischen Abodriten-Fürsten Niklot (1131–1160), der den Herren auch noch durch einen schrecklichen Raubzug nach Wagrien zuvorgekommen war (erst 1160 auf einer Heerfahrt wieder Heinrichs des Löwen gegen die Abodriten wurde Niklot getötet).
    Ihr Versagen vor Dobin machte die Kreuzzügler rasch mißmutig, ja nachdenklich, fiel ihnen jetzt doch ein, daß sie ein Volk vertilgen sollten, wollten, das ihnen Untertan war und Tribute erbrachte. »Ist es nicht unser Land«, überlegten sie, »das wir verheeren, und unser Volk, das wir bekämpfen? Warum benehmen wir uns denn wie unsere eigenen Feinde und vernichten unsere eigenen Einkünfte?« (Helmold). Rasch schloß man Frieden und verschwand. 31
    Die südliche Streitschar stieß von Magdeburg aus in das Gebiet der Liutizen vor, überall die Technik der »verbrannten Erde« praktizierend, Städte, Dörfer, Fluren in Schutt und Asche verwandelnd. Führer dieses Missionsausgriffes: Albrecht der Bär, den wohl kaum mehr trieb als die eigene Machtsucht, die von ihm seit einem Vierteljahrhundert zielstrebig verfolgte Slawenunterjochung; und der zum Päpstlichen Legaten ernannte Bischof Anselm von Havelberg. Der Prälat, ein Schüler des hl. Norbert, als Staatsmann drei deutschen Königen zu Diensten, wollte durch den Wendenkreuzzug natürlich ebenfalls territoriale Absichten im westslawischen »Missionsgebiet« fördern. Und ähnlich wurden die ihn begleitenden Bischöfe von Halberstadt, Magdeburg, Merseburg, Münster, Brandenburg kaum nur von seelsorgerischen Aspekten geleitet. Erfüllten sich seinerzeit, als die südliche Heeresabteilung so wenig erreichte wie die nördliche, die Hoffnungen auch nicht, so hat die Kirche trotz aller damaligen Erfolglosigkeit doch »aus der späteren Kolonisation des Landes unendlichen Gewinn geschöpft. Jedes neue Dorf, jede geordnete Hufe vermehrten ihre Einkünfte und stärkten ihre wirtschaftliche Potenz. Den weltlichen Herrschern wiederum war der Vorwand der Mission willkommene Rechtfertigung« (Ahlheim). 32
    Immerhin erwähnenswert: Im elfbändigen Kirchen-Lexikon der katholischen Theologen Wetzer/Welte von 1854 kommt das Stichwort »Wendenkreuzzug« überhaupt nicht vor. Fehlanzeige ebenfalls in der Ausgabe des zehnbändigen katholischen Lexikons für Theologie und Kirche von 1938. Nur unter dem Begriff »Wenden« erscheint da zum Kreuzzug der einzige Satz, er habe »ein klägliches Ergebnis« gehabt. Das kaum minder umfangreiche katholische Handbuch der Kirchengeschichte von 1985 vermochte den fatalen Krieg nun doch nicht mehr ganz zu ignorieren und widmete ihm eine drittel Seite, seinen »Mißerfolg«, wie die »Unklarheit in

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