Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
»Gottesgericht« ausgegeben, ein Strafgericht »allein durch Gottes Schwert« der Verfolgung Alexanders wegen –, alle Erfolge und Hoffnungen, das in Jahren Erkämpfte. Eine »wunderbare tödliche pestilentia«, nennt sie der Lodeser Anonymus, »durch göttliches Wunder« (divino miraculo) hereinbrechend, »wunderbarerweise« (mirabiliter). Neben Tausenden von Römern starben auch des Kaisers Soldaten, die unerschrockensten Krieger, wie die Fliegen, selbst im Gehen und Reiten sanken sie nicht selten hin, und kaum während des ganzen Tages zu begraben, mehrere Herzöge darunter, zahlreiche Grafen und Barone, ein paar tausend Ritter, die Bischöfe von Regensburg, Speyer, Verden, Lüttich und Prag. 49
Der schlimmste Verlust für den Regenten war zweifellos Rainald von Köln, Mitte August hinweggerafft. Seit seiner Berufung zum Reichskanzler im Frühjahr 1156 hatte der gedrungene blonde Niedersachse seinem Herrn nimmermüd gedient, ein sprachgewandter Diplomat, zupackender Organisator und oft tollkühner Haudegen, der einmal mit zehn Rittern dreihundert Ravennaten gefangennahm, gleichsam ein genialischer Gewaltpolitiker, belesen auch, literarisch interessiert, vom Archipoeta, bedeutendstem Vertreter mittelalterlicher Vagantendichtung, als Gönner gefeiert, starrsinnig, hochmütig, eifersüchtig oft, aber auch voller Schwung und rücksichtslosem Einsatz für die Interessen des »Reichs«.
Während seiner achtjährigen Amtszeit als Erzbischof von Köln (seit Frühjahr 1159) weilte Rainald kaum eineinhalb Jahre in seinem Bistum! Dafür war er der härteste Gegner der Kurie, gegen die er als Erzkanzler von Italien, das er durch seine Bediensteten erbarmungslos aussaugen ließ, bald mit der römischen Kommune konspirierte. Der rheinische Oberhirte war ohne Gnade gegen Reichsfeinde, war, wie man einmal sagte, kaiserlicher als der Kaiser, und ein Wortführer des totalen Krieges. Hatte man in früheren Feldzügen üblicherweise nur die Jahresernte ruiniert, niedergetreten, verbrannt, zerstörte man unter ihm die Olivenhaine, die Weinberge gänzlich, machte auf Jahre hinaus jede Ernte unmöglich, traf den Feind in den Grundlagen seiner Existenz. Die Exzesse blutrünstiger Wut waren mitunter schier unbegrenzt, wie beispielsweise bei der Berennung des kleinen Crema (S. 513 ff.). 50
Auch der Kaiser erkrankte. Unmöglich nun die Heerfahrt gegen Sizilien, gegen Alexander, unmöglich die Wiederherstellung des Kaisertums. Am 6. August, bereits drei Tage nach Ausbruch der Epidemie, brach Barbarossa auf. Er ließ viele Kranke zurück, dann übergaben sie »die Römer dem Orkus« (Lodeser Anonymus). Und noch auf dem Rückmarsch sollen mehr als 2000 Ritter gestorben sein. Auch Chronist Acerbus Morena wurde jetzt hinweggerafft. Mühselig führte der Kaiser die Trümmer seiner Armee nach Norden, wo die Lombarden schon wieder mächtig rebellierten, die Alpenpässe sperrten. Vergebens ächtete, bekämpfte Barbarossa die Aufständischen. Er »verwüstete und verbrannte Städte und Orte und gewann auch viel Beute dabei«, erhängte auch mal – wofür hatte man sie! – eine Geisel, wie den Zilius de Prando aus Brescia. Doch immer mehr erhoben sich »und schlossen Frieden untereinander, und alle wurden sie zusammen ein Leib« (Lodeser Anonymus). Ende des Jahres 1167 umfaßte der straff organisierte lombardische Bund bereits 16 Städte, alle großen darunter, Mailand, Verona, Vicenza, Ferrara, Brescia, Bologna, Venedig. Man drang auf Beseitigung der zentralistischen Staufer-Tyrannei, auf Erneuerung der kommunalen Autonomie.
Auch der König von Sizilien und der diplomatisch gewiegte, durchtriebene Alexander III. unterstützten die Liga, die Societas Lombardiae. Immer stärker wurde sie, immer mehr geriet Friedrich ins Hintertreffen, holte sich Schlappen. Nur Mittelitalien und die Toskana schienen ihm noch halbwegs ergeben. Heroisch schrieb er in einem Aufruf nach Deutschland: »Lieber wollen wir eines ehrenvollen Todes vor dem Feinde sterben, als dulden, daß das Reich in unseren Tagen zerstört werde.« In letzter Stunde erlaubte ihm der Graf von Savoyen, Humbert III., den Durchzug durch sein Gebiet, unter Demütigungen, unter Lebensgefahr, in Knechtstracht flüchtete er, während einer seiner Kämmerer die Kaiserrolle spielte, gelangte über den Mont Cenis, den Paß der Könige, und im März 1168 nach Basel, nach Deutschland, kaum viel weiter nun als bei seinem Beginn.
Die tiefste Ursache für den Zusammenbruch der kaiserlichen Macht war
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