Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
selbst. Heinrichs II. Sohn Richard, Herzog von Aquitanien und Graf von Poitou, genannt »Löwenherz«, der als erster überhaupt, gleich nach der Einnahme Jerusalems durch Saladin (1187), das Kreuz genommen, war einer der kriegerischsten Christen und unentwegt in militante Konflikte verstrickt, wenn nicht mit seinen Vasallen, dann mit König Ludwig VII. von Frankreich (1137–1180), mit seinem eigenen Vater Heinrich II. von England, mit dem er sich bis zu dessen Tod 1189 nicht mehr versöhnte, mit seinem älteren Bruder u.a.
Wieder drängte der Papst, aus Sorge um seinen Krieg, auf Vermittlung. Kardinallegat Johannes von Anagni erreichte einen Waffenstillstand zwischen den kämpfenden Königen, wobei er anscheinend von England bestochen war, sagte ihm Philipp II. doch ins Gesicht: »Du hast den Duft der Sterlinge gerochen.« Der raffinierte Philipp freilich, der nach allgemeiner Ansicht seinen Krieg mit dem Saladinzehnten bestritt, zog durch eine Intrige Heinrichs II. Sohn »Löwenherz« zu sich herüber, und schon im Sommer 1189 droschen die angehenden Kreuzfahrer erneut aufeinander ein, wobei nun der alte und bereits todkranke Heinrich hoffnungslos unterlag und im allgemeinen Zusammenbruch, zwei Tage nach seiner bedingungslosen Kapitulation, das Zeitliche segnete. 19
Jetzt gedachten Philipp II. von Frankreich und der junge englische König Richard I. Löwenherz (1189–1199), auch für ihre Seelen zu sorgen. Anfang Juli 1190, als das deutsche Kreuzheer schon ziemlich am Ende war, brach ihre vereinigte Streitschar von Vézelay auf; dann fuhr Richard mit seiner Flotte von Marseille, Philipp von Genua mit teuren genuesischen Schiffen weiter. Als Richard im August 1190 nach Ostia kam und ihn ein Kardinal im Namen des Papstes einlud, die Hauptstadt der Christenheit zu beehren, verzichtete der Kreuzritter dankend darauf, da am päpstlichen Hof, womit er dem Kardinal freilich kaum Neues sagte, nichts zu finden sei als Habsucht und Korruption. Löwenherz stach wieder in See, bestahl seinerseits zunächst die Bauern Kalabriens und wäre dabei fast erschlagen worden. In Messina traf man sich im September wieder. Infolge eines Erbstreits mit dem Nachfolger des verstorbenen Königs Wilhelm II. von Sizilien, Tankred von Lecce, besetzte Richard am 3. Oktober 1190 die Stadt, raubte sie aus und ließ im Hafen die Flotte in Feuer aufgehen. Doch dauerte das Beutemachen der Kreuzfahrer auf Sizilien noch Monate fort. 20
Auf seiner weiteren Heilsreise, im darauffolgenden Frühjahr 1191, verschlug Richard »ein durch Gottes nie fehlende Vorsehung gefügter Sturm« nach Cypern. Dankbar ergriff er das göttliche Angebot und entriß in dreiwöchigem Kampf unter Einbringung unermeßlicher Beute die Insel dem christlichen Prinzen Isaak Komnenos, verkaufte sie später den Templern, die sie ihrerseits wieder der Familie Lusignans verscheuerten. Und wie schnell kam die Zeit, als die lateinischen Kreuzzügler gar nicht mehr gegen den Islam zogen, sondern gegen das christliche Byzanz.
Kreuzzüge? Kreuzgeschäfte!
Am 8. Juni 1191 landete der englische König bei dem schon fast zwei Jahre eingeschlossenen Akkon, wo Philipp II. seit 20. April operierte. Freudenfeuer begrüßten die Ankömmlinge. Doch bald gab es unaufhörlich Hader, kam es zu Verleumdungen und Anschlägen unter den Belagerern, die sich vielen Schwierigkeiten gegenübersahen. Saladin hatte Akkons Schanzwerke durch den bekannten Ägypter Emir Behaeddin Karakûsch, der auch Kairos Mauern gebaut (und sich selbst noch in Akkon befand), ausbessern und die Stadt stark befestigen lassen. Die Mauern waren so breit, daß darauf, nach dem Bericht eines Reisenden aus dem 14. Jahrhundert, zwei Wagen aneinander vorbeifahren konnten.
Das christliche Heer kämpfte mit verschiedenen Belagerungsmaschinen und allen damals im Minen-und Sappenbau bekannten Verfahren. Man untergrub die Mauern, füllte Brennstoffe ein und setzte sie in Brand. Tag und Nacht behämmerten Ballisten die Festung; eine davon hieß »die Balliste Gottes« – (im 20. Jahrhundert heißt ein Atom-U-Boot der USA »Corpus Christi«!). Eine Balliste hatte vier Stockwerke und wurde vom »griechischen Feuer« der Belagerten vernichtet, samt Menschen und Waffen. (»Allah wollte es so, damit die Christen im Feuer dieser Welt brannten, bevor sie brannten in der andern.«) Unaufhörlich trugen beide Seiten ihre Angriffe vor. Da die Einschließung schon seit Sommer 1189 dauerte, lernte man sich kennen, verbrüderte sich schließlich,
Weitere Kostenlose Bücher