Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
Walthard sei noch »am Allerheiligentage gewürdigt worden, vor dem Antlitz Gottes zu erscheinen«. – Sie lügen einem die Hucke voll! Aber schließlich schreckte der ehrwürdige Hirte auch sonst nicht vor etwas Betrug zurück; suchte er zum Beispiel über zwei zu Zeitz gehörende Burgwarde mittels einer gefälschten Königsurkunde die Bistumsrechte zu ergattern!
Noch im selben Jahr gewann der Polenfürst die Burg Lebusa am Fläming (nördlich Schlieben).
König Heinrich I. hatte sie 932 nach langer Belagerung erobert und niedergebrannt, worauf sie bis 1012 wüst lag. Dann ließ sie Heinrich II., unter Mitwirkung Bischof Thietmars, wieder aufbauen, verstärken und durch tausend Mann Besatzung schützen. Sofort nach Walthards Tod jedoch befahl Boleslaw, der in einem nahe gelegenen Hinterhalt lauerte, die Festung zu stürmen und sah, »noch beim Frühstück sitzend«, selbst zu, wie sie seine Leute beim ersten Angriff nahmen, wobei man »viel Blut« vergoß, auch 500 eigene Männer verlor. »Dieses jammervolle Blutbad ereignete sich am 20. August«, notiert Thietmar. »Man verteilte die gewaltige Beute und steckte die Burg in Brand«; womit der Pole 1012 dasselbe tat wie der deutsche König 932 – die blutigen Machtspielchen der Fürsten: »... dann zog das siegreiche Heer mit seinem Herrn frohgemut heim.« Schon wieder fröhlich.
Erst durch die Bemühungen des Polen, der seinen Sohn Mieszko im Winter 1012/1013 mit reichen Geschenken nach Magdeburg schickte, wo er Vasall des Königs wurde, kam es an Pfingsten 1013 zum Merseburger Frieden, zu keinem sehr erfolgreichen für das Reich. Das Bistum Meißen wurde gar in einen deutschen und einen polnischen Teil zerrissen. Boleslaw zwar unterwarf sich erneut formell, bekannte sich ebenfalls als Vasall, behielt aber faktisch die von ihm besetzten Teile der Ostmark und der Mark Meißen. 72
Im Sommer 1015 eröffnete Heinrich den dritten, immer noch fast drei Jahre dauernden Polenkrieg von Magdeburg aus, zuvor dort »Christi Ritter Mauritius demütig um Beistand zur Überwindung seines hartnäckigen Feindes Boleslaw« bittend. Der Pole war Christ und Katholik wie er, und auch so unnachgiebig. Selbstbewußt erklärte er auf Heinrichs Forderung nach Rückgabe der Reichslehen, »was sein sei, werde er behalten, was ihm bisher nicht gehöre, gedenke er als Beute davonzutragen«.
Und so geschah es.
Mit drei Armeen, dem größten Aufgebot seit Beginn der Polenoffensive, rückte das kaiserliche Kriegsvolk getrennt, aber gleichzeitig von Norden, Süden und dem Zentrum her vor. Dabei wuchs der Haß zwischen den Kämpfenden, verteidigten zuweilen sogar Frauen, wie in Meißen, das Vaterland. Auch hier wurde die Stadt, nun weniger glücklich, ein Raub der Flammen, während man die Veste selbst, mit viel Glück, gerade noch hielt. (Immerhin war der Ort so unsicher, daß der im Dezember in Leipzig sterbende Bischof Eido bis in seine Todesstunde eine Beisetzung zu Meißen sich verbat.)
Viele Prälaten, Eido selbst, Erzbischof Gero von Magdeburg, Thietmar von Merseburg, zogen mit, dazu große heidnische Verbände. Und wieder verwüstet man nach altem Brauch auch den eigenen Boden, drangsaliert abermals Volk und Land des Markgrafen Gero in der sächsischen Ostmark (er selbst fällt noch im gleichen Jahr, am 1. Oktober 1015, gegen Boleslaw).
Am 3. August, »am Tage der Auffindung des ersten Märtyrers Christi«, erzwingt der hl. Kaiser durch erhebliches Blutvergießen den Übergang über die Oder. Er schlägt die Polen »furchtbar zusammen« (Thietmar). Ein glücklicher Tag, kommentiert Historiker Siegfried Hirsch, und weiß gleich weiteres Glück zu berichten, diesmal von der Belagerung Bautzens: »Auch hier war das Resultat glänzend: die Stadt ging in Flammen auf ...«
Ja, man heftet Lorbeeren an die vereinigten christlich-paganen Standarten, bringt mal 600, dann 800 Feinde um, nimmt nicht weniger als 1000 Mann gefangen, dazu Frauen und Kinder. Doch werden auch auf deutscher Seite gelegentlich »200 der trefflichsten Ritter«, darunter mehrere Grafen, abgestochen und ausgeplündert. Es ist die Nachhut des Erzbischofs Gero von Magdeburg (1012–1023), wobei der Kirchenfürst selbst entkommen und dem Kaiser die furchtbare Kunde übermitteln kann. Solch blutiger Ausfall aber bedarf stets besonders hehrer Verklärung. Deshalb erkennen die Quedlinburger Annalen hier gar den »Geist eines Glaubenskrieges« – gegen Katholiken! »Die Magdeburger Ritter fanden in der Nachfolge Christi den
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