Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
ihm ein erneutes Friedensangebot, ja, erweiterte es u.a. durch die Zusicherung, Jerusalems Festungen, vor Monaten schon vorsorglich geschleift, auf eigene Kosten wieder herzustellen. Aber selbst diese noch großzügigere Offerte, zu deren Annahme auch der König von Jerusalem sowie andere führende Feldzugsteilnehmer rieten, wies der Kardinal von neuem zurück.
Doch dann hatte er etwas Glück. Die Versorgungslage und das Elend der seit Februar 1219 eingeschlossenen Bevölkerung Damiettes waren so katastrophal geworden, daß die ausgehungerte, genauer ausgestorbene Stadt – von ihren schätzungsweise 60000 Menschen lebten nur noch 10000, und davon waren die meisten krank – am 5. November 1219 nachts beinahe mühelos, nach den »Gesta Treverorum« dennoch »durch göttliche Kraft«, genommen werden konnte, worauf man den Bürgern die Kinder raubte, um sie gewaltsam zu Christen zu machen, und den Rest der Einwohner vertrieb oder versklavte. Bald darauf fiel noch ein zweiter Hafen, Tanis (heute Port Said). Honorius pries sein Werkzeug Kardinal Pelagius als einen zweiten Josua, womit er an jenen berüchtigten Räuber-Strategen des Alten Testaments erinnerte, dessen Ausrottungsorgien kaum zu übertreffen sind (183 f.!). 27
Doch der Triumph des Legaten währte nicht lang.
Über den Besitz von Damiette stritt er mit Johann von Brienne, dem er die Stadt zugunsten der Kirche entzog, worauf der König, des dauernden Haders müde, im Frühjahr 1220 das Heer verließ. Zwist und Eifersüchteleien rissen auch sonst nicht ab. Auflösungserscheinungen griffen um sich. Der Graf von Arundel kündigte dem Kardinal Gewalt an, die Kreuzfahrer bedrohten sein Leben, Italiener und Franzosen schlugen einander in einem regelrechtem Gefecht. Der Legat schleuderte den Kirchenbann und verbreitete Schriften, die den baldigen Sieg der »Pilger« über die Ägypter prophezeiten. Dazu aber fehlte die erwartete Hilfe des Kaisers, zumal er selbst weiterhin ausblieb, auch wenn er mit dem Bayernherzog Ludwig und dem Hochmeister des Deutschordens, Hermann von Salza, im März 1221 fünfhundert Ritter auf seine Kosten schickte, die jedoch, entgegen seinem Befehl, dem Legaten auf seinem Marsch nach Kairo und zur Eroberung Ägyptens folgen wollten.
Davon freilich riet Johann von Brienne, auf starken Druck des Papstes am 7. Juli 1221 nach Damiette zurückgekehrt, ebenso entschieden ab wie manch anderer landeskundiger Krieger. Pelagius aber, der stets auf Angriff gesetzt und jetzt auch die Bayern auf seiner Seite hatte, verwarf ein drittes Friedensangebot al-Kamils, brach Mitte des Monats mit dem Kreuzheer auf und igelte sich am 24. Juli in einer Nilgabelung, in der man sich besonders sicher glaubte, ein, vor dem Sultanlager, aus dem das heutige Mansura (die Siegreiche) entstand.
Schön etwa zehn Tage darauf waren die beiden Brüder al-Kamils, al-Muazzam, der Syrien und Palästina, al-Aschraf, der das obere Mesopotamien beherrschte, zur Stelle. Man kesselte die Abendländer in Kürze ein, schnitt ihnen jede Zufuhr an Lebensmitteln wie an Truppenverstärkung ab, durchstach die Flußdeiche, die Nildämme, überschwemmte Land und Straßen und zwang die bald im Schlamm steckenden verzweifelten Christen zur Aufgabe. Der Sultan blieb maßvoll, vernichtete sie nicht. Er verpflegte sie zwei Wochen, gewährte ihnen freien Abzug gegen einen achtjährigen Waffenstillstand und die Räumung Ägyptens. Selbst der streng kirchlich gesinnte Oliver, der spätere Kardinal, ist ergriffen von der Großmut des Sultans und trägt ihm und den Ägyptern in zwei ellenlangen Briefen voller Bibelperlen allen Ernstes als Dank – ihre Bekehrung an.
Von Jerusalem keine Rede mehr. Der muslimische Osten jubelte, der Westen hallte wider von Weh- und Wutgeschrei, war erschüttert, seine vielleicht stärkste Anstrengung in der Kreuzzugsbewegung kläglich mißlungen, ja, trotz des leidlich erträglichen Ausgangs, was nicht an den Kreuzfahrern lag, angesichts des gewaltigen Aufwands an Menschen und Material, ein Fiasko. Zwar war das Ende der »bewaffneten Wallfahrten«, dieser so machtgierigen wie geisteskranken Ausgriffe in den Orient, noch nicht absehbar, doch der Anfang vom Ende erreicht. Und das mit einem Kreuzzug, der mehr als jeder andere ein kirchlicher, ein päpstlicher Kreuzzug sein sollte und auch ein kirchlicher, ein päpstlicher war.
Somit traf ohne Zweifel die Hauptschuld an dem beträchtlichen Prestigeverlust über viele Grenzen hin die Kirche selbst, was schon
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