Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
Feinheit ihrer Natur, »vieles zu tun, was wir nicht vermögen, und daß es Leute gibt, die sie veranlassen das zu tun, die deshalb auch Schädlinge genannt werden.« 13
Der überaus abergläubische, sich ständig von Zauberern und Zauberkunst, durch Assassinate mittels Wachsbildern und Gift bedroht fühlende Johann XXII. (VII 474 ff.) – er sprach Thomas heilig! – verdammt im früheren 14. Jahrhundert in zwei Bullen die Zauberei; dabei publiziert er in der Bulle »Super specula« einen »für ewige Zeiten geltenden Erlaß«, wonach alle, die so verirrt seien, daß sie mit der Hölle ein Bündnis eingehen, ipso facto der Exkommunikation verfallen. Ferner sollen Vermögensbeschlagnahme sowie die übrigen »für Ketzer bestimmten Strafen von ihren zuständigen Richtern verhängt werden ...« Ähnlich geht 1437 Eugen IV. (S. 224 ff.) gegen jene vor, die den Teufel anbeten, Verträge mit ihm abschließen, die mit magischen Tricks Krankheiten und Gewitter verursachen. 14
Entscheidend wurde, daß man die Hexerei allmählich von gewöhnlicher Magie unterschied und als »Ketzerei« ausgab, womit Zauberer und Hexen in die Hände der Inquisition gerieten und wie Häretiker behandelt worden sind. Der Teufelspakt allein machte noch keinen Zauberer, noch keine Hexe zum »Ketzer«, zur »Ketzerin«. Es mußte das Element des Terroristischen, Verschwörerischen, des sozusagen organisierten Verbrechens dazukommen. Deshalb machte die Kirche die Diener und Dienerinnen der Dämonen zu Soldaten, zur Armee des Teufels, zur »Synagoge Satans« mit kriminellen Zusammenkünften beim »Hexensabbat«.
Bei diesen Treffen verehrten die Ruchlosen den Leibhaftigen, tanzten pervers, tafelten um Mitternacht, genossen Delikatessen, Kröten etwa, Herzen und Fleisch ungetaufter Kinder, bevor sie sich in wilder Orgie den Teufeln sowie einander hingaben. Der Vorwurf der Homosexualität wird in den Hexenprozessen ein Gemeinplatz, die Formel »vir cum viris« und »femina cum feminis« üblich. Abschließend feierte man beim »Hexensabbat« eine »schwarze Messe«, eine gotteslästerliche Nachäffung des christlichen Gottesdienstes, wobei Satan selbst zelebrierte, das heilige Kreuz bespuckte, mit Füßen trat. Diese und viele weitere Ausgeburten des Irrsinns, den unglücklichen Opfern in fürchterlichen Torturen eingegeben und herausgefoltert, vermittelten Klerus und Inquisitoren dem Kirchenvolk, und nun konnte man gegen die Hexen wie gegen »Ketzer« vorgehen und sie einzeln oder haufenweise verbrennen. 15
»Brennen«, »das houbet abslahn«, »den wilden tieren fürgeworfen«.
»Der Vorrang der Initiative lag zunächst bei der geistlichen Gerichtsbarkeit«
Der erste christliche Kaiser, Konstantin I., der im 4. Jahrhundert einerseits selbst Eingeweideschauer und Astrologen befragt, der auch gesetzlich Heil- und Wetterzauber zugelassen hat, pönalisierte andererseits schon das Verabreichen von »Liebesbechern« mit Exil und Güterkonfiskation, ja, im Todesfall, mit dem Zerreißen durch wilde Tiere oder durch Kreuzigung (I 268). Auch diskriminierte bereits Konstantin das früher erlaubte Wahrsagen. Und während der heidnische Kaiser Diokletian (284–305) Schadenszauberer zwar lebendig verbrennen, doch wohltätige Magier ungeschoren ließ, wurde seit Konstantins Sohn Konstantius II. (337–361) auf jede Magie, schwarze wie weiße, die Todesstrafe gesetzt. 16
Im Frühmittelalter hatte es anscheinend nur sehr vereinzelt Verfolgung und Hinrichtungen beziehungsweise Lynchjustiz von Zauberern und Hexen gegeben, so unter den Merowingern um 580 durch die grauenhafte fränkische Königin Fredegunde (vgl. IV 118 ff.!) in Paris. Oder nach dem großen Viehsterben im Jahre 810. Ebenso bei dem jähen Tod König Arnulfs 899. Anno 1090 wurden bei Freising drei Erntezauberinnen (perditrices frugum), 1115 in Graz dreißig Frauen an einem Tag verbrannt (concrematae sunt triginta mulieres in Greez una die).
Gewiß hat es in diesen frühen Jahrhunderten mehr Opfer christlichen Hexenwahnes gegeben als die Dürftigkeit der Überlieferung erkennen läßt. Zumal die meisten Fälle der Lynchjustiz, etwa im Alpenraum, in Skandinavien, offenbar nicht aktenkundig wurden. In Polen und der Ukraine kamen so nach einer Schätzung die Hälfte aller Opfer um. Bemerkenswert, daß unter der Türkenherrschaft in Ungarn Hexereianklagen vor türkischen Gerichten nicht zugelassen und verhandelt worden sind. Wehrten sich doch auch Bischöfe und weltliche Obrigkeiten mitunter gegen die
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