Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
Mißbrauch machen, und mit ihren Bezauberungen, Liedern und Beschwehrungen, und anderen abscheulichen Aberglauben und zauberischen Übertretungen, Lastern und Verbrechen, die Geburten der Weiber, die Jungen der Thiere, die Früchten der Erde, die Weintrauben und die Baumfrüchte, wie auch die Menschen, die Frauen, die Thiere, das Vieh, und andre unterschiedener Arten Thiere, auch die Weinberge, Obstgarten, Wiesen, Weyden, Getreide, Korn und andern Erdfrüchten, verderben, ersticken und umkommen machen ...« 19
Der Papst beauftragt in der Bulle die Professores Theologiae, seine »geliebten Söhne« Henricus Institoris und Jacobus Sprenger, ebenso den »geliebten Sohn Johannes Gremper«, einen Geistlichen des Konstanzer Bistums, der sie als Notar begleitet, zur Bekämpfung all der vielen schädlichen Exempel und Ärgernisse, der überaus zahlreichen Leichtfertigkeiten, Sünden, Laster, befiehlt – denn nicht von ungefähr wird ihm, so Theologe und Kirchenhistoriker Wilhelm Neuß, »eine große Gutmütigkeit« nachgerühmt –, –, befiehlt, daß seine Helfershelfer »wider alle und jede Personen, wes Standes und Vorzuges sie seyn mögen, solches Amt der
Inquisition
vollziehen, und die Personen selbst, welche sie in vorgemeldeten werden schuldig befunden haben, nach ihrem Verbrechen züchtigen, in Haft nehmen, am Leib und am Vermögen straffen«. Zuletzt erlaubt der Heilige Vater »gar keinem Menschen ..., dieses Blatt Unserer Verordnung, Ausdehnung, Bewilligung und Befehls zu übertretten, oder derselben aus verwegener Kühnheit entgegen zu handeln. Wann aber jemand sich dieses zu erkühnen unternehmen würde, der soll wissen, daß er den Zorn des allmächtigen Gottes und Seiner Heiligen Apostels Petri und Pauli auf sich laden werde.«
Es beleuchtet die perverse Moral der katholischen Kirche, wenn der Jesuit Ludwig Freiherr von Hertling in seinem mehrfach übersetzten und aufgelegten Hauptwerk »Geschichte der Katholischen Kirche« noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts schreiben kann: »Nicht wegen dieser Bulle, wohl aber wegen seiner Charakterschwäche und des Ärgernisses, das er gab, gehört Innozenz in die Reihe der Päpste, die den Stuhl Petri entehrt haben.« Nicht das durch Jahrhunderte fortgesetzte Enteignen, Foltern, Verbrennen – meist bei lebendigem Leib – Unschuldiger ist schändlich, schändlich ist die sexuelle »Sünde«, der Zölibatsverstoß. 20
Ausgerüstet mit der apostolischen Vollmacht, erprobt Heinrich Institoris deren Wirkung gleich auf der Rückreise 1485 in Tirol. Wochenlang stachelt er das Volk von der Kanzel herab auf, so daß eine Frau ihm, der doch das »Wort Gottes« verkünden sollte, ins Gesicht sagt: »Ihr predigt ja nichts anderes als gegen die Hexen.« Brutal geht er in Innsbruck gegen einen großen Haufen ihm Ausgelieferter, meist Frauen, vor, u.a. wegen Wettermachen, Entziehung der Milch aus Kühen, verweigert im Prozeß jede Verteidigung, verdreht systematisch die Aussagen, unterstellt Verbrechen, die kein Zeuge vorgebracht, scheut sich auch nicht, offenkundig zu lügen, und läßt foltern.
Obwohl die Verfahren vor einem geistlichen Gerichtshof (darunter vier Dominikaner) stattfanden, brach der Prozeß als null und nichtig zusammen, die Angeklagten kamen frei. Der Bischof von Brixen, Georg Golser, der den Mann des Papstes am 23. Juli 1485 noch dem Diözesanklerus schriftlich empfohlen hatte, schrieb jetzt: Institoris sei »vorher bei vielen Päpsten Inquisitor gewesen, bedünkt mich aber aus Altersschwäche ganz kindisch geworden zu sein; er scheint wirklich zu rasen. Was der Inquisitor gethan, ist höchst unanständig«, und riet diesem selbst, »sich zu entfernen, je geschwinder, desto besser.« Bürger, Klerus, Adel, alles war gegen den Hexenjäger seiner Heiligkeit, und die Regierung der Grafschaft Tirol soll nie wieder eine Hexenverfolgung zugelassen haben. 21
Das peinliche Debüt des Papstbüttels geschah zur selben Zeit, da der Inquisitor von Como, »unser Kollege«, wie es im »Hexenhammer« heißt, »im Zeiträume
eines
Jahres, 1485, 41 Hexen verbrennen ließ«. Möglicherweise dadurch angefeuert, keinesfalls aber entmutigt durch das Innsbrucker Fiasko, das selbst die Bulle aus Rom nicht verhindert hatte, suchten nun die Hexenfahnder ein wirksameres Procedere, eine durchschlagende Propagandawaffe, und es kam zur Niederschrift des »Malleus maleficarum«, später »Hexenhammer« betitelt. Der dickleibige Kommentar zur »Hexenbulle« hat das in ihn gesetzte
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