Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
Vertrauen seiner Verfasser vollauf gerechtfertigt, den anfänglichen Widerstand mancher Fürsten und Bischöfe gebrochen und auf Jahrhunderte hin verheerend gewirkt.
Dies vor allem wohl, weil die Schreiber ihre Ungeheuerlichkeiten durch ungezählte (wörtlich oder indirekt benutzte) Kirchenvätertexte stützten, nicht nur dann und wann, sondern Hunderte von Malen, oft auf jeder Seite mehrfach, wobei die bedeutendsten Autoren, Augustinus und Thomas von Aquin, auch am häufigsten erscheinen. Daß die Verfasser ihren gern hochgelehrt daherkommenden schauerlichen Sums noch mit einer Fülle von Fällen, Episoden, Histörchen garnieren, die nicht selten alle Perlen des Caesarius von Heisterbach verblassen lassen, hat der Publizität des Ganzen gewiß nicht geschadet.
Überdies waren sie schlau genug, auch für ein aktuelles wissenschaftliches Gutachten der damals berühmten theologischen Fakultät von Köln zu sorgen, das aber nicht zu ihrer Zufriedenheit ausfiel, weshalb sie ein zweites fälschten und dem Band als Vorwort beigaben. Fälschten sie doch auch notarielle Dokumente; wie überhaupt Heinrich Institoris nur knapp einer Verhaftung wegen Unterschlagung von Ablaßgeldern entging. 22
Im Grunde dreht sich das Ganze einzig und allein um den Nachweis, daß die Hexen – wirklich Hexen sind, denn sind sie es nicht, sind die Hexenjäger selbst die Mordbuben. Und da seinerzeit noch viele, auch Geistliche, die Existenz von Hexen für ein Unding, für Einbildung hielten, bekämpft der »Hexenhammer« mit penetranter Verbissenheit »die alte Meinung ..., daß Hexerei nichts Wirkliches sei, sondern in der Meinung der Menschen bestehe« und lehrt seinerseits verständlicherweise: »Zur größten Hexerei gehört es, wenn man nicht ans Hexenwesen glaubt.«
Was aber gab den Hexenjägern und -vernichtern ihre Gewißheit, immer vorausgesetzt, daß sie bona fide verfuhren? Nun, einfach »die Lehrmeisterin Erfahrung, die uns nach den eigenen Geständnissen der Hexen und den von ihnen begangenen Schandtaten so sicher gemacht hat, daß wir ohne Gefährdung des eigenen Heiles nicht mehr von der Inquisition abstehen können.«
Wie viele Theologen – nicht nur des Mittelalters – sich immer wieder eingehend mit der Sexualität befaßten, so auch unsere Hexenjäger.
Zum Beispiel ventilieren sie, wie die Hexen die Zeugungskraft hemmen; wie sie die männlichen Glieder (penes) weghexen (denn sie können sie »wahr und wahrhaftig weghexen«). Man bedenkt, ob der Incubus die Hexe immer mit Ergießung des Samens besucht; ob er's lieber zu der einen als zur anderen Zeit treibt; lieber an dem einen als dem anderen Ort; ob Incubi und Succubi wie für die Hexe, so auch für die Umstehenden sichtbar auftreten – wissen die Experten doch »bezüglich der Umstehenden zu sagen, daß oft auf dem Felde oder im Walde Hexen auf dem Rücken liegend gesehen wurden, an der Scham entblößt, nach der Art jener Unflätereien, mit Armen und Schenkeln arbeitend, während die Incubi unsichtbar für die Umstehenden wirkten. Es mochte sich auch am Ende des Aktes ein schwarzer Dampf in der Gestalt eines Mannes von der Hexe in die Luft erheben, was aber nur sehr selten beobachtet wurde.«
Ausführlich erörtert man: »Ob durch Incubi und Succubi Menschen erzeugt werden können«. Oder: »Von welchen Dämonen derartiges, nämlich das Inkubat und Sukkubat, verübt wird«. Und resümiert dann u.a.: »Es ist wahr, daß die Zeugung des Menschen die Handlung eines lebenden Körpers ist. Aber wenn behauptet wird, daß die Dämonen kein Leben geben können, weil dieses förmlich aus der Seele fließt, so ist es auch wieder wahr, aber nur deshalb, weil es stofflich abfließt vom Samen und der Dämon als Incubus mit Zulassung Gottes ihn durch den Coitus hineintun kann, und zwar nicht als von ihm selbst abgesonderten, sondern durch den dazu genommenen Samen irgendeines Menschen, wie es der
Heilige Doctor« –
das ist Thomas von Aquin – »sagt im ersten Teile, qu. 51, art. 3, so daß der Dämon, der bei dem Mann Succubus ist, bei dem Weibe Incubus wird, wie sie auch anderen Samen zur Zeugung anderer Dinge verwenden, wie
Augustinus
De trin. 3. sagt.«
Freilich könnte es sein, spinnt man den hochkriminellen Schwachsinn fort, »daß an Stelle des Succubus ein anderer von ihm den Samen empfinge und an Stelle des anderen Dämonen sich zum Incubus machte, und zwar aus dreifachem Grunde. Ein Dämon nämlich könnte, zu einem Weibe geschickt, den Samen empfangen von einem
Weitere Kostenlose Bücher