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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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oder nicht – die Reformation, seit langem von England bis Böhmen, von John Wyclif und Jan Hus vorbereitet, die Reformation, eine Sache des Glaubens, der religiösen Bedürfnisse, der antirömischen Opposition, der Verwerfung scholastischer Theologie und päpstlicher Kirchentyrannei, ein von vielen Gelehrten, von Humanisten, von Melanchthon, von Hütten gefördertes epochales europäisches Ereignis, die Reformation war mit der Bauernbewegung und deren Berufung auf Bibel und »Göttliches Recht« unverkennbar verbunden. Luthers fundamentaler Angriff auf das Papsttum, die mitreißende Wucht seiner Kritik mußte auch eine Attacke auf andere Autoritäten nahelegen, auslösen. Sein ungestümer, berserkerhafter Elan hatte Signalwirkung, hatte gewaltige Erwartungen geweckt, nicht nur der Beseitigung von Seelenqualen, sondern auch materieller Bürden, eine Veränderung der Gesellschaft überhaupt. Der Wittenberger hatte »die ganze Summa eines christlichen Lebens« in dem Begriff Freiheit zusammengefaßt, und dieser Begriff erschien in den Flugschriften der Bauernkriegszeit wieder – nur hatte ihn Luther »geistlich« und die Bauern auch »fleischlich« verstanden wissen wollen.
    Schon als der überall den Klerushaß schürende, den Waffengebrauch fordernde Ulrich von Hütten und Franz von Sickingen 1522 den »Pfaffenkrieg« gegen den Trierer Erzbischof Richard von Greiffenklau führten, verloren und beide bald darauf starben, hatte Luther die Gewaltanwendung verworfen. Sah er doch »Aufruhr« darin und keine »ordentliche Gewalt«. Aufruhr aber, schrieb er in seinem 1522 gedruckten Text »Eine treue Vermahnung zu allen Christen, sich zu hüten vor Aufruhr und Empörung«, Aufruhr sei ohne Vernunft und treffe mehr Unschuldige als Schuldige. »Darumb ist auch kein Aufruhr recht, wie rechte Sach er immer haben mag.« Doch der Herr omnes, also der sogenannte gemeine, der kleine Mann, kapiere das nicht, »schläget in den Haufen, wie es trifft, und (das) kann nit ohn groß, greulich Unrecht zugehen«.
    Schlägt somit der »kleine Mann« drauf, ist's stets Unrecht, wie recht er hat. Schlägt der »große«, die Obrigkeit zu, ist's stets Recht, wie unrecht auch immer: die christliche »Gesellschaftslehre« von Paulus bis Luther, bis heute. Die »Großen«, mögen sie Konstantin, Chlodwig, Karl, Hitler, Stalin oder sonstwie heißen, dürfen morden und morden lassen, dürfen monströse Blutbäder anrichten, Weltkriege führen, ganze Völker vernichten, sie wurden und werden dabei, gemäß Paulus, Luther und ihresgleichen, von allen christlichen Kirchen unterstützt. Und vielleicht stimmt es nachdenklich, daß einer der ersten bekannten Militärs der Bundeswehr, der General Ulrich de Maizière gestand, »daß es lutherische Schriften waren, die mich 1951, nur knapp sechs Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, haben wagen lassen, dem Ruf der Bundesrepublik zur Mitarbeit in den Streitkräften zu folgen«. 8
    Anfang Mai 1525 schleudert Luther seine blutrünstige Schrift »Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern« heraus, worin er diese, die, unter Berufung auf die Genesis, frei und gleich sein möchten, brüsk abfertigt und ihren Schlächtern preisgibt. Denn: im Neuen Testament »gillt Moses nicht /Sondern da steht vnser meyster Christus«. Lehrt aber selbst meyster Christus etwas gegen meyster Luther, dann gilt meyster Christus nicht, sondern meyster Luther. Falls etwa die Obrigkeit unversehens über die Bauern herfällt und sie »ohne vorhergehendes Erbieten zu Recht und Billigkeit«, das heißt ohne jedes Verhandeln schlägt und straft, dann will der doch gar nicht so ungern Blut riechende Reformator durchaus »nicht weren«, obgleich er natürlich sehr gut weiß, daß dies »das Euangelion nicht leydet«.
    Freilich, die Bauern begehen »grewliche sunden widder Gott vn menschen«, sind »eyn ewiger hellebrand«, ja, er vermutet gar keine Teufel mehr in der Hölle, da sie allemal in die Bauern fuhren. Denn die Bauern sind »des teuffels«, treiben »eyttel teuffels werck«, ehren, dienen »dem teuffel / vnter dem scheyn des Euangelij«, sind »die öffentlichen strassen reuber vn morder«, »thun wie die rasenden hunde«, weshalb man sie auch wie »eynen tollen hund todschlake mus«, sie »wurgen vnd stechen« soll, »heymlich odder öffentlich / wer da kan« – also nicht nur die Obrigkeit soll totschlagen, soll abstechen, nicht nur der Soldat, der Verbrecher, nein: jeder, der's vermag. Man sieht, was in

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