Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
die Todesstrafe. 17 Gewiß, einst schien Luther ringsum tolerant, friedlich gestimmt, hatte er beteuert: »Es ist wider den Heiligen Geist, Ketzer zu verbrennen« und »Gegen die Türken Krieg führen, heißt Gott widerstehen, der unsere Ungerechtigkeiten durch sie heimsucht.« Doch beide Sätze, von der römischen Bannandrohungsbulle begreiflicherweise verdammt, gab auch Luther preis. Denn als er erkannte, Häretiker nicht überzeugen zu können, rief er gegen sie die weltliche Obrigkeit an, wurde der »Ketzer« »Ketzer«-Jäger, wenn er auch gern, je nach Bedarf, Zurückhaltung gewahrt sehen wollte und sich nicht selten in Widersprüche verwickelte. Müntzer hatte schon recht, wenn er von ihm sagte, er trage eine »beschissen Demut« vor sich her, aber »er hetze und treibe wie ein Höllenhund«. Denn wie die Papstkirche brauchte auch der Reformator den Staat, brauchte er den Krieg und die »Ketzer«bekämpfung. »Er hat die Bauern, die Türken und die Juden im wörtlichen Sinne, eindeutig belegbar, verteufelt und dazu aufgerufen, sie als Teufel – und keineswegs nur als weltliche Feinde – zu behandeln« (Müller-Streisand).
Für Luther war sein »Evangelium« das »rechte Evangelium« und alles, was dem entgegenstand, »Ketzerei«. Es widerstrebte einfach seiner Geistesart, Überzeugungen anderer als gleichberechtigt zu achten. Mächtig gefördert wurde diese Haltung durch seinen Glauben an die Wahrheit, an nur eine Wahrheit, eine einzige Wahrheit, die er auch noch, seine feste Überzeugung, als einziger erkannt habe! Und natürlich für »alleinseligmachend« hielt.
Ohne Frage, vieles ist bei Luther nicht mehr als verführerische Parole, »Parteiprogramm«, wie bei Paulus, noch mehr bei Augustin, der auch so leidenschaftlich jeden Zwang bei der christlichen Mission, der Bekehrung Andersgläubiger, ausschloß und dann so beredt dafür warb (I 479 ff!). »Gewaltlos durch das Wort allein«, heißt es in der Confessio Augustana, »sine vi humana sed verbo«.
Luther verbietet zeitweise Gewalt. Er fordert Geduld mit Andersdenkenden, Andersgläubigen, er fordert Lehrfreiheit. Aber er fordert sie von den katholischen Gegnern, und er fordert sie nur so lange, bis seine Lehre herrscht, sein alleinseligmachendes Gespinst. Dann müssen andere Lehren, da es ja nur eine Wahrheit gibt, schweigen. 18
Die Statuten der theologischen Fakultät Wittenbergs, von Melanchthon mit Luthers Einverständnis verfaßt, geboten den Lehrern streng, »die reine Lehre« vorzutragen. Verteidigt aber jemand hartnäckig »die falschen Ansichten«, dann solle er »mit solcher Strenge bestraft werden, daß er die schlechten Meinungen nicht weiter verbreiten kann«. Der Vorsteher dieser Fakultät war von 1535 bis zu seinem Tod ununterbrochen Martin Luther.
Irrlehrer mußten bestraft werden, weil der Reformator sie nicht geistig »überwinden« konnte. So verlangte er seit 1524 das Vorgehen der Obrigkeit gegen Dissidenten, wenn sie Aufruhr verursacht oder rebellische Gedanken verbreitet hatten, und hielt Landesverweisung als Strafe für angemessen. Karlstadt verdrängte er erst aus Wittenberg, ließ ihn dann, trotz dessen inzwischen erfolgter Distanzierung von Gewaltanwendung, mit seiner Familie 1524 aus Kursachsen ausweisen und verfolgte ihn, bis er 1541 in Basel an der Pest starb. Erst recht war der große Rebell Thomas Müntzer, der das Reich Gottes mit Gewalt auf Erden verwirklichen wollte, des Teufels für Luther, für »das geistlose sanftlebende Fleisch zu Wittenberg«, wie Müntzer höhnte, der dann im Bauernkrieg gefangen, gefoltert und hingerichtet wurde.
Noch 1528 sprach sich Luther gegen die Todesstrafe aus. Doch seit 1530 unterschieden die Reformatoren nicht mehr zwischen aufrührerischen und bloß falsch lehrenden »Ketzern«, so daß die einen wie die andern die Todesstrafe tra f. »Die zahlreichen Hinrichtungen auch solcher Wiedertäufer, die nachweisbar keine Aufrührer waren, und die gerade auf Grund jener normativen Erklärungen der Wittenberger Theologen getötet wurden, reden eine zu deutliche Sprache gegenüber allen derartigen Versuchen, noch immer die klare Tatsache ableugnen zu wollen, daß Luther selbst die Todesstrafe gegen bloße Ketzer gutgeheißen hat« (Wappler).
Im Februar 1530 erklärt sich Luther in einem Brief an Justus Menius und Friedrich Mykonius für die Todesstrafe. Als er im selben Jahr die (irrtümliche) Nachricht erhält, der Antitrinitarier Johannes Campanus sei zu Lüttich als »Ketzer«
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