Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
Heilsgeschichte. Also rechtfertigt Erzbischof, Heiliger und Kirchenlehrer Isidor von Sevilla, der große Judenhasser, nicht nur die Judenpogrome (VII 406 f.), sondern auch die – ja schon von Kirchenlehrer Ambrosius bejubelte – Sklaverei: notwendig, um die schlechten Anlagen einiger Menschen durch »terror« (!) zu zähmen.
Das Konzil von Aachen (816), das lehrt, Gott habe die »servitus« verhängt, um die Ungezügeltheit der »servi« durch die Autorität der Herren einzudämmen, knüpft ebenso deutlich an den hl. Isidor an wie im 11. Jahrhundert die Ständelehre des Bischofs Burchard von Worms (S. 73): »Wegen der Sünde des ersten Menschen ist dem Menschengeschlecht durch göttliche Fügung die Strafe der Knechtschaft auferlegt worden, so daß [Gott] denen, für die, wie er sieht, die Freiheit nicht paßt, in großer Barmherzigkeit die Knechtschaft auferlegt. Und obgleich die Erbsünde durch die Gnade in der Taufe allen Gläubigen genommen ist, hat der gerechte Gott das Leben der Menschen so unterschieden, indem er die einen zu Knechten, die anderen zu Herren einsetzte, damit die Möglichkeit zu freveln für die Knechte durch die Macht der Herren eingeschränkt würde.«
Als hätten die Herren nicht allzeit unvergleichlich mehr und gewaltiger gefrevelt! Gleichwohl verwarfen schon die frühchristlichen Theologen resolut jede »Gleichmacherei«, betrachteten sie »Frauen, Sklaven oder Barbaren als Menschen niederer Art« (Dassmann).
Ergo verriet man den »Liebeskommunismus« der Apostel, die sozialen Traditionen der alten Christenheit. Ergo ergriff man, erst einmal selber reich, auch die Partei der Reichen. Ergo tritt die Catholica, die im Frühmittelalter über mehr Land als der Adel verfügt, die ganze Sklavenheere zur Bestellung ihrer Güter braucht, für Erhaltung der Sklaverei ein, die ja schon Paulus verteidigt, Kirchenlehrer Ambrosius ein »Gottesgeschenk« nennt. Ergo steht die Kirche seit den frühen christlichen Sozialaufständen in Afrika, Spanien und Gallien bei allen Auflehnungen der Unterdrückten auf Seite der Unterdrücker – oft mit nackter Gewalt, vielleicht öfter noch mit sauer-süßen Sprüchen, um nicht Zynismen zu sagen, etwa nach Art Bischof Rathers von Verona, der um 935 Sklaven (servi) apostrophiert: »Seid nicht traurig – wir sind alle Brüder in Christo«. 5
Eine Rechtsnatur wie Vieh
Als im 5. und 6. Jahrhundert Chlodwig, dieser Starbandit der Weltgeschichte, das fränkische Raubreich begründet (IV 2. Kap.!), als er mit seinen Haufen Frankreich erst bis zur Seine, dann zur Loire, dann zur Garonne überrollt, da entsteht mit Hilfe des Katholizismus ein neuer feudaler Staat. Die Besitzer geringer Güter, die freien Bauern, die Bauernkrieger schrumpfen dahin, werden allmählich von der Mitbestimmung, vom aktiven Heeres- und Gerichtsdienst ausgeschlossen und die coloni geflohener Herren verknechtet.
Vom 7. bis zum 9. Jahrhundert verschwinden die kleinen Bauern und Betriebe gegenüber den großen Grundherrschaften immer mehr. Die Sozialstruktur ändert sich profund, die städtische Kultur bricht zusammen, der Handel geht zurück, und es kommt zu einer reinen Agrar-, einer Kolonen- und Sklavenwirtschaft. Nur Grundbesitz bedeutet jetzt Reichtum. Adel und Klerus teilen sich das Land, haben allein das Bodenmonopol, die Verarmung ist fast allgemein, der freie germanische Bauer aus der frühmittelalterlichen Feudalgesellschaft bald weithin verdrängt. Es gibt, grob geurteilt, nur zwei Klassen: Herren und Knechte. Das Volk ist deklassiert, ist abhängig, es sitzt als mancipia, servi, coloni casati in armseligen Dörfern riesiger Territorien, in Fronhöfen, über sich einen sogenannten Edelmann, der es von seiner Burg herab drangsaliert und kujoniert, darüber größere Herrengeschlechter, und schließlich über allen die Fürsten, die Könige, vom Zürichsee bis nach Sachsen hinein, in England, in Frankreich, in Spanien. »Im Staat und in der Gesellschaft gibt die Aristokratie den Ton an, andere Leute haben nichts zu sagen. Sie hat das angeborene Vorrecht den König zu beraten, sie nimmt Kraft ihrer Geburt die Bischofsstühle des Landes in Anspruch und auch die alten reichen Klöster sind für ihre Angehörigen bestimmt, ihr gehören Grund und Boden und die Leute im Land ... Das ist die Gestalt des Staates und der Gesellschaft in ganz Europa bis zur Französischen Revolution« (Dannenbauer).
Nur wer Grund hat, ist frei. Nur wer viel Grund hat, ist mächtig, gebietet Tausenden von
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