Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
wurde. Überdies setzte die Kirche ein eindruckschindendes Brimborium in Szene. So sollte die Exkommunikation der Bauern von Ostholte (wegen Zehntverweigerung u.a.) auf Befehl des Vicedominus (eine Art rechte Hand des Bischofs in der Bistumsverwaltung) von Münster 1299 »an jedem Sonntag und Festtage bei Kerzenschein und Glockenklang mit Namensnennung öffentlich ausgesprochen werden«. Und die Genannten waren von jedem Gläubigen zu meiden. 57
Alle Vergünstigungen, Vorteile, alles Recht, das heißt Unrecht, jedwede Macht und Gewalt lagen eben in den Händen der weltlichen und geistlichen Herren. So mußte man selbst im katholischen Lager schon vor längerem zugeben, daß die Privilegienfülle des Klerus besondere Erbitterung erzeugte: seine Freiheit von Steuern, von anderen öffentlichen Lasten, seine profitablen, den Laiengewinn begrenzenden Geschäfte, die »zahllosen Erwerbungen liegender Güter durch die ›tote Hand‹«, »die verhaßten Zehnten«, »die Geldstrafen bei den Sendgerichten usw.« (Löhr) 58
Der flandrische Bauernkrieg und die Jacquerie
Während es in Deutschland im 13. Jahrhundert zu längeren Bauerntumulten und -kriegen in Drente, Westfriesland, Ostfriesland, Dithmarschen oder zu der grauenhaften Abschlachtung der Stedinger kommt, treten im 14. Jahrhundert die Bauernerhebungen in Flandern, Frankreich und England (S. 235 ff.) hervor.
Die flandrische Insurrektion, die erste große Volksempörung Westeuropas, beginnt im Winter 1323 in der Umgebung von Brügge, umfaßt vor allem die selbstbewußten Gemeinden der Küstengebiete und zieht sich bis 1328 hin. Die Bauern bestanden auf ihren alttradierten Rechten, bekämpften besonders den Adel, den Grafen von Flandern, die Ämterkorruption, Steuerwillkür, die überzogenen Gerichtsgebühren und ignorierten die kirchlichen Zehntforderungen. Sie verlangten die Kornvorräte der Klöster, und einige hätten am liebsten die Priester aufgeknüpft. Auch die Städte engagierten sich, mit Ausnahme Gents. Burgen wurden geplündert, zerstört, Adlige gezwungen, ihre eigenen Verwandten vor allem Volk zu töten. Es gab wenig Widerstand, die Grausamkeit war groß, doch nach Verstoßung der gräflichen Ressortinhaber und der Neubesetzung ihrer Stellen funktionierte die Verwaltung jahrelang.
Graf Ludwig II. von Nevers, am Pariser Hof erzogen, verheiratet mit einer Prinzessin von Geblüt, vermochte sich von Anfang an bloß mit dem Beistand Frankreichs durchzusetzen, wofür er Wallonisch-Flandern abtrat. Auch gegen die Bauern, für deren Mißernten er erhöhte Abgaben begehrte – eine häufige feudale Praxis –, konnte er am 23. August 1328 bei Cassel nordöstlich von St-Omer nur mit massiver französischer Hilfe siegen; ein kurzes, doch gnadenloses Gemetzel, ein Vernichtungsakt. Man verzeichnete insgesamt 1072 gefallene Landbesitzer, von den Kommunalmilizen Flanderns aber soll, nach begründeten Schätzungen, mehr als die Hälfte getötet worden sein. Ein Reiterstandbild Ludwigs von Nevers zierte seitdem die Kathedrale von Paris.
Freilich bezahlte der Graf seine profranzösische Position. Im Hundertjährigen Krieg, in dem schweren, 1338 beginnenden handelspolitisch bedingten Konflikt mit den englandfreundlichen flämischen Städten, allen voran jetzt Gent, wurde Ludwig allmählich entmachtet; er floh nach Frankreich und fiel 1346 in der Schlacht von Crécy (S. 57 f.). 67
Zwölf Jahre später kam es zur ersten großen französischen Bauernrevolte, forensisch gesprochen zur »commotion des non nobles contre les nobles«.
Am 28. Mai 1358 hatte man in St-Leu-d'Esserent, einem kleinen Dorf im Beauvaisis, vier plündernde Edelmänner (chevaliers) samt ihren Knappen abgestochen und sich beinah blitzartig im Beauvaisis, im Pariser Becken erhoben sowie in Gebieten der Picardie, Normandie und Champagne. Nach dem Spottnamen des Bauern »Jacques Bonhomme« kurz »Jacquerie« genannt, erfaßte die Bewegung auch Bürger, Handwerker, Krämer, ganze Städte, Senlis, Montdidier, Amiens, Laon, Rouen u.a. Auch einige Adlige stießen zu den Insurgenten, die Guillaume Cale, ein militärisch erfahrener Grundherr, reich, gebildet, unbestritten führte, doch augenscheinlich nicht zu einem umfassend organisierten Angriff bringen konnte. Zwar vermochte er bischöfliche Burgen einzunehmen, große Schlösser, selbst Chantilly und Courteuil, aber die Bauern verzettelten sich, stürmten ihrerseits Adelssitze, brachen Kastelle, ohne freilich die des Königs anzugreifen, stritten sie doch
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