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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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erzogen, vielseitig gebildet und politisch wenig talentiert, was nicht gegen ihn spricht, es schließlich vorzog, mehr zu Prag oder auf seinen geliebten Burgen im Böhmerwald zu sitzen als das Reich zu regieren. 1410 von den rheinischen Kurfürsten in Oberlahnstein als »unnützer« König abgesetzt (formal rechtswidrig und von ihm nie anerkannt), wurde sein ehrgeizigerer, fast schon altmodisch ringsum Kronen auf sein Haupt sammelnder Bruder Sigismund – seit 1387 König von Ungarn, nach dem Tod König Ruprechts I. 1410 und des Gegenkönigs Jobst von Mähren 1411, seines Vetters – zum römisch-deutschen König gekrönt (später kamen noch zwei Kronen hinzu).
    Bald darauf vollbrachte Sigismund durch Beseitigung der Kirchenspaltung auf dem Konstanzer Konzil, so die Communis opinio, seine größte Leistung. Doch war dies wirklich ein historisches Verdienst? Oder wäre nicht ein endgültiger Kollaps des seit je so korrupten wie überflüssigen Papsttums weit besser, eine wahre Wohltat für die Welt gewesen? 29
    Sigismund hatte sich zunächst, wie sein Vater und Bruder, zu Gregor XII., zum römischen Papst bekannt, wechselte aber 1409 zum Pisaner, zu Alexander V. und seinem Nachfolger Cossa über, offenbar weil Gregor nach seiner Absetzung in Pisa große Teile seiner Obödienz verlor, Cossa aber mächtiger wurde.
    Mit Johann XXIII. kontaktierte Sigismund sofort, wobei ihre Ansichten anscheinend am meisten über den Ort des Konzils auseinandergingen. Alles liegt am Ort, sagte der Papst zu seinem Geheimschreiber, wollte natürlich innerhalb seines Einflußbereichs tagen und wünschte Bologna als Konferenzstadt. Doch Sigismund, der im ganzen Abendland für das Konzil warb, besonders an England herantrat, an Frankreich, auch an den oströmischen Kaiser, hatte sich schließlich für Konstanz entschieden, Papst Johann mußte sich beugen und berief die Versammlung auf den 1. November nächsten Jahres ein; wobei allerdings die Umstände der Konzilsberufung (Konvokationsbulle vom 9. Dezember 1413) nicht eindeutig sind. Weil Cossa aber nichts Gutes ahnte, am meisten Sigismund selbst fürchtete, erkaufte er sich unterwegs, in Meran, für 6000 Gulden Jahressold noch den Beistand des Herzogs Friedrich IV. von Österreich, den er mit der Bulle »Dum intuitus« vom 15. Oktober 1414 zum Generalkapitän aller päpstlichen Truppen ernannte, und meinte dann, gegen Ende des Monats von den Bergen zum Bodensee hinunterreichend: »So werden Füchse gefangen.« 30

Das Konzil von Konstanz (1414–1418) entmachtet drei Päpste

    Zunächst nur schwach, bald jedoch außerordentlich zahlreich besucht, wurde das Konzil von Konstanz, trotz enormer internationaler Spannungen, trotz des Hundertjährigen Krieges, trotz des großen Konflikts zwischen dem Deutschen Orden und Polen u.a., der größte Kongreß des gesamten Mittelalters. Auch von Italien und Frankreich aus unschwer zu erreichen, war sozusagen alles vertreten, die Welt der Fürsten und Grafen, der Orden und Ritterorden, der Universitäten, der Diplomatie, der Gesandten von Königen und Städten, vor allem natürlich Schwärme von Kardinälen, Erzbischöfen, Bischöfen, von Äbten und Doktoren der Theologie, insgesamt gegen siebenhundert klerikale Konzilsteilnehmer mit etwa 18000 Bediensteten.
    Nicht zu vergessen endlich über all dem geistlichen, geistigen und aristokratischen Glanz das Wirken der so oft unterschlagenen, vom Stadtchronisten Ulrich Richental doch gleichfalls gewissenhaft registrierten siebenhundert öffentlichen Huren, ungerechnet jene, welche die Konzilsväter gleich selbst mitgebracht. »Ich habe die Schwaben öfters sagen hören«, schrieb seinerzeit Jan Hus, »daß ihre Stadt Konstanz in dreißig Jahren die Sünden nicht los wird, die während des Konzils in ihren Mauern verübt wurden«; »viele haben ausgespuckt, weil sie gar zu schändliche Sachen gesehen«. Freilich füllten die gelb gekleideten Damen sonntags bei der Heiligen Messe auch den Opferstock mit Münzen. 31
    Gregor XII. und Benedikt XIII. fehlten; die Verhandlungen mit ihnen waren gescheitert. Johanns XXIII. trübe Ahnungen hatten nicht getrogen, brachte ihn, der sich nun mehr als verus, unicus et indubitatus pontifex fühlte, das Konzil doch alsbald um seine Macht. Zwar konnte er es am 5. November 1414 noch feierlich eröffnen und, zunächst als Oberhaupt durchaus anerkannt, auch unbestritten leiten. Doch als an Weihnachten Sigismund selbst dazustieß, nahm dieser, unterstützt von einigen einflußreichen

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