Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
Zustrom der »Gäste« sei wegen der »Weisheit« der Ordensritter erfolgt, wegen der »Blüte der Weisheit«. Sagten doch »damals alle Reisenden, woher sie auch kamen, daß sie in keinem Lande so viele im Hinblick auf Alter und Weisheit wohlgeratene Leute gesehen hätten wie im Orden zu Preußen. Deshalb wünschten viele Herren, Ritter und Knappen aus der Christenheit, den Orden kennenzulernen, und sie kamen mit Gefolge nach Preußen und blieben mit großem Aufwand in Königsberg, wobei mancher ein ganzes Jahr lang auf den Kriegszug gegen die Feinde wartete.«
Für nicht wenige Familien war die Tour de force, die Jagd im Osten, Tradition, für alle »eine Attraktion« (Paravicini), inklusive: Ablaß und geregelter Zahlungsverkehr. Fehlte Geld – Ritter und Kaufleute Preußens standen zur Verfügung; der Orden war einer der reichsten Kreditgeber Europas. Hauptsache blieb natürlich der Krieg, galt es doch, mit den Gastgebern möglichst viel zu verwüsten, Burgen zu erobern, zu schleifen, zu errichten.
Über die »Saison« hinaus hielten die Ritter sich brandschatzende Banden, die Land und Leute terrorisierten. Noch Domherr Nikolaus Kopernikus schreibt an Sigismund I. von Polen: »Auf wessen Anstiftung dieses Übel dermaßen zugenommen hat, ist Ew. Majestät hoffentlich schon von anderer Seite zur Kenntnis gebracht worden. Denn es ist allgemein bekannt, wo diese Räuber ausgebrütet werden, wo sie sich gegen uns bewaffnen und wohin sie mit ihrer Beute flüchten. Wir sehen, daß uns seitens des Hochmeisters schon bald Gefahr und Übermacht drohen ...« 40
Respektiert doch die Gewalttätigkeit, die Hab- und Herrschsucht des Ordens auch den Klerus nicht. Im Gegenteil. Die Grausamkeit kennt keine Grenzen. »Ein Bischof wird in einem Gewölbe der Kirche von Tapiau bei Königsberg an die Wand geschmiedet, zwei Ritter müssen seinen Hungertod beobachten« (Heer). Erzbischof Friedrich von Riga behauptet, es gebe »keine größeren Feinde der römischen Kirche und des Landes als sie, die Ordensbrüder«. Er meldet 230 Anklagen nach Avignon und berichtet die Abschlachtung von zehntausend Menschen in Danzig um 1308, »die Ausrottung von Christen ...«
Ging es dem Orden also um das Christentum, um Bekehrung? Es ging ihm um Unterwerfung und Ausbeutung, ging ihm wie schon jenen sächsischen Großen, von denen Helmold bereits Jahrhunderte früher schrieb (VII 169 ff!), sie seien »stets geneigter, Zinslasten zu steigern als dem Herrn Seelen zu gewinnen«, sie »teilten das Geld unter sich. Vom Christentum war keine Rede ...«
Als deshalb um den Ordensstaat Preußen schon fast alles christlich war, gingen die Fehden, Kämpfe, Kriege permanent weiter. Es half dem Orden, der um 1400 seine größte Ausdehnung erreichte, nicht, auf der Notwendigkeit des Heidenkrieges, der Kreuzzüge zu bestehen, die Christianisierung Litauens als Täuschung hinzustellen und zu behaupten, Großfürst Witold habe schon dreimal den Glauben gewechselt »und dabei immer wieder gottlose und abscheuliche Verbrechen an Kirchen und Heiligtümern begangen«. Es half dem Orden nichts, daß er 1397 dem Frankfurter Reichstag über »mächtige Anfechtung« klagte, »denn täglich werden die Ungläubigen, Litauer und Russen, durch den König des Polenlandes mehr und mehr gestärkt ... Tag für Tag versorgt man von Polen aus die Heiden mit Waffen, Panzern, Platten, Harnisch, Büchsen, Pferden, Werkmeistern, Büchsenschützen und dergleichen, also daß die Bekämpfung der Feinde Christi fort und fort schwieriger wird.«
Mit Litauen führte man von 1401 bis 1404 Krieg. Doch für den römischen König wie für den Papst war Litauen christlich. Und das mit Litauen verbündete Polen war es längst. So maßregelt der Pontifex in einer Bulle des Jahres 1403 die Ordensritter, habe er doch »nicht ohne bitteren Schmerz« erfahren, wie unmenschlich man die Leute des Königs und die neu Getauften in Litauen zu Tode bringe, und verbietet unter Androhung des Bannes, Polen und Litauen mit Krieg zu überziehen.
Tannenberg oder Der Anfang vom Ende
Gleichwohl verschärfen sich die Beziehungen zwischen diesen Ländern und dem Ordensstaat. Wie gewöhnlich geht es um Grenzbereinigungen, Territorialkonflikte, um die Neumark, Schemaiten, das Dobriner Land. Die Überfälle in der Neumark häufen sich, ein allgemeiner Aufstand in Schemaiten 1409 kommt hinzu, und offensichtlich steckt die polnisch-litauische Allianz dahinter.
Am 6. August 1409 erklärt Ordenshochmeister Ulrich von
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