Kriminalpolka - Kommissar Zufall ermittelt
schenkte er der Akustik jedoch keine Beachtung und betätigte sich dafür an einem schmalen Laptop, der auf einem kleinen Tischchen ruhte. Er war durch ein kurzes Kabel mit einer Art Stimmgerät verbunden, an dem ein rotes Lämpchen blinkte. Eine silberne Trompete mit einem seltsam nach Plastik aussehenden schwarzen Mundstück stand neben dem Tischchen in einem Ständer. Joe fuhr den Laptop hoch, und ein Notenblatt erschien auf dem Display.
»Des isch em Langfried sei Erfindung!«, sagte Joe und deutete auf die seltsame Anordnung von Laptop, Instrument und Stimmgerät. Er reichte mir die Trompete mit dem Plastikmundstück und sagte:
»Do! Spiel!«
»Ich kann das nicht«, entgegnete ich. »Ich bin Flötist!«
»Des macht nix. Los, probiers oifach!«
Ich setzte die Trompete an, wie ich es bei den blechschlotzenden Kollegen schon tausendmal gesehen hatte, und presste Luft hinein. Mein Ton klang wie bei Maurice André selig.
Klar, hell, genial. Geradezu meisterhaft.
Ich drückte nach, und der Ton wurde höher. Sauber! Ich besann mich auf die drei Ventile, tat ein paar Griffe, die ich mir mal hatte zeigen lassen, und spielte perfekt Trompete!
Ich versuchte mich am auf dem Laptopbildschirm leuchtenden ›Te Deum‹ von Charpentier und erblasste vor mir selbst. Nie hatte ich einen so schönen Trompetenklang gehört! Dazu fehlerfrei und virtuos.
»Wow!«, sagte ich, nachdem ich abgesetzt hatte, »wie geht das denn?«
»Em Langfried sei Erfindung, sag i doch. Frag mi ned, wie des funktioniert, aber er hat die Trompet digitalisiert. Do, in dem Plastikmundstück steckt dr Chip! So wie im Foto oder in ’ra Kamera oder in ’ma Keyboard. Älles digital. Du gibsch bloß die Nota ins Laptop ei’, ond scho’ geht’s los!«
Moment, durchzuckte es mich, hatte ich das richtig verstanden? Langfried Schieber hatte die digitale Trompete erfunden? Ein Instrument, das mittels Computertechnik perfekter spielte und besser intonierte als jeder Solist? Das war eine musikalische Revolution! Ungläubig hielt ich die digitale Trompete in der Hand.
»Geil, gell?«, fragte Joe mit leuchtenden Augen. »A Digtrom. Ooglaublich.«
Ich nickte, ehrfürchtig den Kopf schüttelnd.
»Und was wollte Langfried Schieber für das Teil?«
»Woiß ned. Er hat erscht no aufs Patentamt wölla.«
»Er hatte noch kein Patent auf die Erfindung angemeldet?«
Heiß durchzuckte mich ein Gedanke. Das Ding war ein Vermögen wert! Wenn sich ein anderer das Patent unter den Nagel riss und dieses Instrument auf den Markt brachte – ich mochte den Gedanken gar nicht zu Ende denken!
Es würde einen Verkaufsschlager geben! Jeder zweitklassige Dorftrompeter konnte zum erstklassigen Solisten werden und den Profis den Rang ablaufen. Noch schlimmer allerdings, wenn Langfried vorgehabt hatte, es unter der Hand zu verhökern. Wer diese digitale Trompete besaß, würde über Nacht zum Star werden.
Hatte man Langfried Schieber deshalb umgebracht? Wollte ein Trompeter die digitale Konkurrenz verhindern? Oder hatte jemand Langfried umgebracht, um sich das Patent unter den Nagel zu reißen?
Ich beschloss, der Sache nachzugehen, kaufte Joe eine gebrauchte Piccoloflöte aus Holz, die zuletzt als Pfeife in einem Spielmannszug gedient hatte für 30 Euro plus sein Schweigen für einen Kasten ›Tannenzäpfle‹ ab und verließ fluchtartig den Laden.
Mein Handy signalisierte mir eine eingehende SMS von Constanze: Sie hatte bei Plasma alles für mich arrangiert, und man erwartete mich als neuen Flötisten.
Spuckstock
Ich hatte geübt. Töne ausgehalten. Fingerübungen gemacht.
Schließlich wollte ich mir keine Blöße geben. Ich vermutete zwar, dass es Constanze Voorte-Singh durch ihren Einfluss bei Pepe Plasma schaffen würde, mir ein peinliches Vorspiel zu ersparen, doch war es mir lieber, gewappnet im Kreis der Band zu erscheinen.
So hatte ich es nach mehreren einsam durchflöteten Nächten geschafft, Viertel und Achtel in größeren Mengen zu vernichten, und war mir sicher, beim Einstand in der Band gut dazustehen.
Constanze hatte mir in weiteren SMS Spielort und Zeit des Soundchecks bekannt gegeben, und so traf ich kurz nach 17 Uhr in dem kleinen Ort bei Tübingen ein, in dem Pepe Plasmas Blasmusik an jenem Abend die traditionelle ›Saukirbe‹ musikalisch eröffnen sollte.
Ich ging durchs Festzelt zum Bühnenbereich. Es duftete schon verlockend nach Fritteusefett und Schlachtplatte, und ich hätte mich eigentlich am liebsten gleich zur Essensausgabe
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