Kriminalpolka - Kommissar Zufall ermittelt
der dann kurz nach fünf zum Soundcheck erschien, trug noch den blauen Toni mit schwarzen Ölflecken, die Trauerränder unter seinen Fingernägeln boten Nahrung für eine ganze Geierkolonie, und als ich beim Auspacken seines Instruments beobachtete, wie er den durch einen kleinen Hebel gegen das Herausrutschen gesicherten Zug der Posaune mit einer Rohrzange löste, war mir klar, dass der Mann kein Posaunist sondern Hausmeister war. Nun, das war nichts Ungewöhnliches in diesem Register. Es wurde in Insiderkreisen spekuliert, dass es im Großraum München professionelle Streichorchester gab, in denen nur Hausmeister Posaune spielten.
Natürlich war das plötzliche Ableben Eiibiis das Thema Nummer eins während des Soundchecks. Ich erwartete mit Spannung den Auftritt des Gesangstrios und wurde bitter enttäuscht, denn Libuše, die Rose der behmischän Prärie, fehlte.
Ich fragte meinen Nebensitzer, den geschwollenen Heini, nach ihrem Verbleib und er flüsterte:
»Die Kabelková? Die singt heut’ nicht. Eiibii war ihr Verlobter, die beiden wollten an Weihnachten heiraten.«
Plötzlich steckte ein kürbisgroßer Kloß in meinem Hals. Libuše, meine Angebetete und der tote Bratvogel ein Paar? Wie konnte mir das entgangen sein! Dabei hatte Constanze doch etwas von Langfried und Libuše erzählt!
Oh wie gern wäre ich ihr Tröster gewesen in diesen schweren Stunden, wie gern hätte ich ihr durch sanftes Streicheln des Halses bis zum Kinn geholfen, die im Schmerz versiegte Stimme wieder zu finden.
Wie gern durch passende Musikantenwitze ihrem Mund zu einem Lächeln verholfen.
Wie gern ihr erzählt, dass es für eine junge, schöne Frau wie sie außer Bratvögeln auch noch andere lebenswerte Hobbys gibt. Doch nichts davon war möglich, denn Libuše hatte in ihrem Schmerz das Zimmer im ›Elchen‹ noch nicht verlassen.
Dafür Constanze!
Und wie! Matronenhaft schwebte – nein! – bebte sie beim Soundcheck auf die Bühne. Eine breite weißschwarze Stola aus dem Fell mehrerer Deutscher Riesenschecken über der Schulter und ein hautenges grünes Glitzerkleid am Leib, stolzierte sie wie eine zweibeinige Python mit der Eleganz der betagten indischen Elefantenkuh, die ich wenige Tage zuvor im Zirkus gesehen hatte, zum Mikrofon, flankiert von Vico Lahla, dem jungen Sänger in ihrem breiten Schatten.
Ich war gespannt.
Würde sich Constanze, die in meinen Augen mittlerweile Hauptverdächtige, durch eine unbedachte Gebärde oder Äußerung verraten? Doch dann geschah etwas, womit niemand gerechnet hatte.
Es war im elften Takt des Trios der bekannten Polka ›Bist z’alt für mich um auf dich zu steh’n‹, gerade in dem Augenblick, als auftaktig der Einsatz des Gesangsduos erfolgen sollte, als sich Constanze mit einem Aufschrei an ihren breiten Allerwertesten griff und krächzend wie ein Wiedehopf den Pfeil, den sie aus der Arschbacke gezogen hatte, in der Hand haltend, die Bühne verließ.
Heini Blättle neben mir klopfte sich prustend auf die Schenkel und steckte das Klarinettenmundstück, das er abgenommen hatte, zurück auf die Birne seines Instruments. Pepe Plasma brach die Polka ab und eilte hinter seiner Kammersängerin her.
Was war geschehen?
Nun, das wusste keiner so genau, dafür war die ganze Sache viel zu schnell gegangen. Aber durch Tuscheln und Flüstern sprach sich schnell herum, dass wohl irgendeiner sich den Spaß gemacht hatte, Constanze diesen Pfeil unter die Haut zu schießen. Ich schielte auf Heini, der verschmitzt lächelnd die Schultern zuckte und auf seine Klarinette zeigte.
Hatte er das Instrument als Blasrohr genommen und sich als Kammerschütze betätigt? Zuzutrauen war es dem Spaßvogel allemal. Doch woher stammte der Pfeil? Und was, wenn er vergiftet war?
Ich sprang auf und eilte von der Bühne, der kreischenden Sängerin und dem verwirrten Orchesterleiter hinterher. Constanze hatte ihre Stallhasenstola eng um sich geschlungen und war eiligen Schritts aus der Halle geflohen, hinüber ins Hotel. Ich folgte ihnen in gebührendem Abstand.
Ich fand den Dirigenten und seine Sängerin in inniger Umarmung in der Halle des ›Elchen‹, beobachtet nur vom ausgestopften Birkhahn und dem präparierten Dachs, die von ihrer luftigen Position aus der plärrenden Sängerin geradewegs in den Ausschnitt zu starren schienen.
Tröstend, wie ich es bei Libuše allzu gern getan hätte, hielt Pepe mit geschlossenen Augen die heulende Sirene in den Armen, massierte ihr zärtlich den Stier- bzw. Kuhnacken
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