Kriminalpolka - Kommissar Zufall ermittelt
sich das Toupet vom Kopf. Kahlköpfig wie Dr. Smrt leuchtete sein Schädel, und der jugendliche Tenor wirkte um 20 Jahre älter.
»Die Perücke war verrückt, auf meinem Kopf nach links. Musste das vor dem Spiegel reparieren.«
»Und Constanze? Wo war sie zu dieser Zeit?«
»Hinter der Bühne.«
»Allein?«
Vico Lahla nickte und stülpte sich seinen Haarersatz wieder über.
»Mir ist ganz schlecht auf einmal von all diesen schlimmen Sachen«, klagte der Sänger plötzlich.
»Ich hab Whisky in meinem Flachmann. Nimm mal einen Schluck, das hilft! Zimmer 11 im ersten Stock, hier ist der Schlüssel«, bot ich an, und er nickte dankbar. Mit meinem Zimmerschlüssel in der Hand wankte er nach draußen.
Mein innerer Schweinehund lachte. Constanze hatte verspielt! Ihr Alibi war soeben flöten gegangen. Ich beschloss, am Ball zu bleiben. Was mir fehlte, war ihr Motiv. Welchen Grund hatte sie, Langfried Schieber zu töten?
Noch ahnte ich nicht, dass die Antwort auf diese Frage von keiner Geringeren kam als von Libuše Kabelková, der reizenden Rose der böhmischen Prärie, die in diesem Augenblick mit tränenroten Augen neben mir auftauchte.
»Kennän wir geheimlich sprechän?«, hauchte sie. »Weiß ich, wär ist Merdär …«
Ich verzichtete auf das Catering im ›Elchen‹, schweren Herzens, muss ich zugeben, denn es sollte die Spezialität des Hauses geben. All diejenigen, die bei früheren Konzerten schon einmal im ›Elchen‹ gegessen hatten, schwärmten in den höchsten Tönen vom ›Ponderosateller‹, einer Kreation des schwäbischen Küchenchefs Frieder, der sein halbes Leben auf einer Ranch im Wilden Westen Arizonas verbracht hatte.
Zarteste Filets von texanischem Schwein, wyoming’schem Kalb und coloradiertem Rind, auf deftigen amerikanischen Wilden Kartoffeln, mit Schwarzwälder Speck und badischen Röstzwiebeln garniert. Das Fleisch plattierte Frieder bei seinen Ausritten unter dem Sattel seines Schwarzwälder Fuchses, die Kartoffeln aus den Äckern zwischen Mississippi und Arkansas wurden in gekochtem Zustand nur kurz mit etwas Butterschmalz angebraten, damit ›Farbe und Power‹ stimmten, und kurz bevor sie aus der Pfanne kamen, lieferten Zwiebel und Speck eine durchschlagende Würze.
Doch meine Ersatzmahlzeit hieß heute Libuše, und die Gelegenheit, mit ihr ungestört zu plaudern, war nie günstiger als zum Zeitpunkt der Trogsitzung, wenn sich die hungrigen Musikanten über das angerichtete Essen hermachten, so lang, bis es nichts mehr hermachte.
Nie sah man die Jungs schneller laufen als zu dem Zeitpunkt, wo der Hornruf – zweimal lang, viermal kurz, einmal lang – zum Catering ertönte oder einer das Zauberwort ›Essen!‹ aussprach.
Dieselben Menschen, die zwei Stunden später beim Betreten der Bühne den Bewegungsdrang einer müden Mammutherde aus Ice-Age versprühten, rannten wie Kühe wenn’s zum Melken geht, drängten durch die Tür und nahmen erwartungsfroh Aufstellung am Trog.
Die Ersten, das verhieß ein ungeschriebenes Gesetz, häuften sich Berge von totem Tier und was sonst noch rein musste, auf den Teller, bis er überquoll, die Nachfolgenden fischten sich die Fleischreste aus der Soße, und den Letzten blieb noch die Möglichkeit, Panade und Eingebranntes aus den Blechwannen zu kratzen oder Brotreste in Soße zu tunken.
Immerhin gehörte Essen an sich zu den Lieblingsbeschäftigungen von Pepe Plasmas Truppe, was wissenschaftlich durchaus am Leibesumfang der Betroffenen belegt werden konnte.
Doch an jenem Abend, wie gesagt, hatte ich der Völlerei entsagt, um mich ungestört mit meiner Libuše unterhalten zu können. Wir hatten uns in ihr Zimmer zurückgezogen und uns auf dem breiten Sofa niedergelassen, wo sie – noch immer unter Tränen – in meinen starken Armen ruhte.
Bratvogels Ableben hatte sie sichtlich mitgenommen und sie schluchzte ununterbrochen, während sie mir in ihrem süßen böhmischen Dialekt erzählte:
»Bin ich schuld«, begann sie. »Hab ich gemacht Schluss mit Eiibii wegän Liebä mit Langfried. Constanze war sich eifersichtig wie verriggd, hat gesagt, soll ich aufherän mit machen Liebä mit Langfried.«
»Ich dachte, du warst mit Eiibii verlobt? Ihr wolltet an Weihnachten heiraten?«
»Ja schon. War auch gligglich mit Eiibii. Aber nach einmal geprobiert Vegäln mit Langfried, hab ich iberlägt anders. Liebä war sich viel schenär mit Langfried als mit Eiibii!«
Oh mein Gott! In welches Sodom und Gomorra war ich da geraten? Ein
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