Kris Longknife: Die Rebellin: Roman (German Edition)
wissen wir Bescheid!«, rief sie für alle interessierten Parteien und wandte sich wieder Akubas Leiche zu. Eine kleine Kette war aus seiner Jacke gerutscht, das Medaillon daran von fließender arabischer Schrift bedeckt. Kris wusste, dass der Islam Bilder untersagte. »Allah ist groß«, flüsterte sie sanft, als sie dem Mann die Augen schloss. Kris fragtesich, ob es irgendeine Art von Gebet gab, das sie über Willies Leiche hätte sprechen sollen, ihrem toten Möchtegernhelden. Noch etwas, was sie lieber lernte, wenn sie vorhatte, weiter in dieser Branche zu arbeiten.
Vorausgesetzt, sie ertrank heute nicht.
»Kris, Kris!«, kamen atemlose Worte aus ihrem Kommlink. »Ich denke, Nabil steckt in Schwierigkeiten. Bleib genau dort! Nicht mucksen!«, hörte sie Tom über die Funkverbindung rufen. »Überlass es José, die Oberkante zu erreichen! Um Gottes willen, Mann, tu das nicht!«
Kris versuchte, sich den Kampf dort oben vorzustellen. Wenn man eine Arbeit delegierte, musste man mit dem leben, was passierte, ermahnte sie sich. Sie befahl sich, ruhig zu bleiben. Das Letzte, was Tom oder irgendeiner da oben brauchte, war, dass jemand sie von sicherer Position am Boden aus vollquatschte.
Sie konzentrierte sich lieber auf das, was sie tun konnte. Das Wasser schwappte allmählich an die trockene Fläche rings um das Pfadende. Akubas Sturz schien darauf hinzudeuten, dass die Klettermannschaft nach rechts vom Pfadende abgewichen war, zur flussaufwärts gewandten Seite. »Wer von Ihnen etwas tun möchte, kann damit loslegen, die Heuballen hierherzutragen«, erklärte sie mit ruhiger, weit tragender Stimme, die durch das leise Murmeln der anhaltenden Gespräche drang. Manche eilten sich, der Anweisung zu folgen; andere blieben auf den Knien liegen. Derzeit war Kris nicht bereit, eine Wette darauf abzuschließen, wer sinnvoller handelte.
»Verdammt, Nabil!«, tönte es aus dem Kommlink. Kris machte sich bereit, weiteren abstürzenden Gestalten auszuweichen. »Er hat es geschafft!«, meldete Tom, halb ehrfürchtig, halb lachend. »Der Mistkerl hat es doch glatt geschafft!« Kris zog eine Braue hoch, als sie diese Worte von dem sonst so gelassen sprechenden Tommy hörte. Sie tippte auf das Armbandgerät.
»Was geschafft?«, fragte sie leise.
»Nicht bis nach oben«, korrigierte Tommy ihre Erwartungen schnell. »Er hing jedoch nur noch an einer Hand und einem Fuß, und es sah nicht danach aus, als käme er noch irgendwohin. Inzwischen klettert er aber wieder.«
»Der Mann ist in Sicherheit!«, rief Kris den Ranchern zu. Mehrere bekreuzigten sich. Andere flüsterten: »Lob sei dem Herrn.«
»Kris«, wurde Tommy schwermütig vernehmbar.
»Ja, Tom?«
»Ensign Longknife, Sie da unten!«, meldete sich eine allzu vertraute und gar nicht froh klingende Stimme.
»Gott sei Dank, dass Sie da sind, Colonel!«, schrie Kris. »Die Navy ist hier!«, brüllte sie laut genug, dass es auch ohne das Funknetz noch am oberen Rand der Klippe zu hören war. »Sie ist hier!«
»Die Marines sind gelandet, Ensign, und die Lage sollte lieber nicht außer Kontrolle sein! Wir sind die ganze Nacht lang wie der Teufel gefahren, um es zu schaffen, aber wir sind hier und am Leben. Wir lassen Seile hinab, also passen Sie da unten auf. Wie viele Leute haben Sie da?«
»Seile kommen herunter!«, schrie Kris, und die Leute wichen zurück, als sechs ihrer angemieteten Schützen aus Port Athens an den Seilen die Klippe herabsanken. »Achtzig bis neunzig, Sir. Und, Sir«, sprach sie direkt in den Kommlink, »wir können diesen Booten/Brücken nicht vertrauen.«
»Habe ich herausgefunden. Eines der Dinger hat mich im Stich gelassen, als ich es wieder einholen wollte, um weiterzufahren. Das andere ließ einen Konvoi auf der falschen Seite einer sehr tiefen Schlucht zurück. Die Drei ist bei diesen Witzdingern keine Glückszahl. Da saß ich dann mit einem noch halb beladenen Konvoi, also bin ich frühzeitig zum Stützpunkt zurückgekehrt, um zu erfahren, dass einer meiner Ensigns Hals über Kopf fortgegangen war.«
»Ja, Sir. Tut mir leid, Sir.«
»Klingt fast so, als meinten Sie das ernst.«
»Es war ein harter Tag, an dem ich viel lernen musste.«
»Ensign, ich möchte Sie am ersten Seil, das heraufgezogen wird.«
»Sir, wir haben hier einige sehr kranke Menschen«, lautete Kris’ Antwort.
Sam war an ihre Seite getreten. »Sie wird am ersten Seil sein!«, rief er über sie hinweg.
»Wenigstens hat irgendjemand da unten Verstand. Mit wem spreche
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