Kris Longknife: Die Rebellin: Roman (German Edition)
wie die Menschheit gegen die Iteeche mit ihren langen Tentakeln kämpfte und wie knapp das ausgegangen ist, stellt euch mal die Frage, ob wir ohne die Waffen aus den Hüttenwerken Savannahs bis zur letzten verzweifelten Schlacht durchgehalten hätten. Wann immer ihr euch also zu einem Umtrunk versammelt und die Becher hebt, denkt dabei an die feinen Streiter der Schwarzen Wache, die in jener Nacht damals den Black Mountain hinaufgetanzt sind.«
Die Gläser wurden gehoben und geleert, und Kris stellte sofort fest, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Die Messe enthielt keinerlei Kamin, in dem man Gläser hätte zerschmettern können, die jetzt zu heilig waren, um jemals wieder für nichts weiter als Getränke benutzt zu werden. Wie aus so vielen anderen Schwierigkeiten würde das Bataillon jedoch auch aus dieser hervorgehen und fortbestehen.
Colonel Hancock räusperte sich in der Stille. »Wann haben Sie diese Erzählung zum ersten Mal gehört, Captain?«
»Auf dem Schoß meines Großvaters.« Sie lächelte. »Ich kann noch nicht größer gewesen sein als sein Offiziersstöckchen. Er war Regimental Sergeant Major, wie es mein Vater inzwischen auch ist.«
»Sie haben ein Patent angenommen?«
»Ja, Sir. Papa und Opa stimmten darin überein, dass die Familie lange genug für ihren Lebensunterhalt gearbeitet hat. Diesmal wollten sie einen Offizier.« Entlang der Tafel wurde gekichert, lauter am unteren Ende, wo, wie Kris vermutete, Emmas eigene Zugführer sich über die Vorstellung erheiterten, sie und Emma würden nicht für ihren Lebensunterhalt arbeiten. Als sich wieder Stille ausbreitete, fuhr der Marine Colonel fort:
»Als man Ihnen die Spangen eines Lieutenants anheftete, hat Ihnen Ihr Vater vermutlich einen Rat erteilt. Wie es das Unglück wollte, war niemand zur Stelle, um für Ensign Longknife diese geheiligte Pflicht zu übernehmen. Wären Sie vielleicht so freundlich, mit ihr zu teilen, was Ihr Vater oder Großvater Ihnen mitgegeben hat?«
»Sir, das würde zu viel verraten, und der Regimental Sergeant Major ist niemand, den ich verärgern möchte. Er verzeiht es mir womöglich nicht.«
Die ernsten Blicke, welche die Offiziere an der Tafel wechselten, demonstrierten Zustimmung. Der RSM war jemand, den nur wenige Offiziere reizen wollten, wenn es sich vermeiden ließ.
Colonel Halverson erhob sich. »Ich denke, ich kann Ihnen die Absolution des Regimental Sergeant Major arrangieren«, witzelte er, ohne eine Miene zu verziehen. Stürmisches Gelächter brach in der Messe aus, verstummte aber rasch wieder, als der Colonel nicht einfiel, sondern mit der ernstesten aller Mienen stehen blieb. »Wenn der Ensign, der das Gewicht eines Namens wie Longknife trägt, weder die guten Wünsche noch die Ermahnungen empfangen hat, wie sie ihrer Berufung angemessen gewesen wären, kann ich mir keine passenderen Worte vorstellen als jene, die der Regimental Sergeant Major für uns übrig hatte.«
Emma nickte. Sie stand auf und wandte sich mit einer feierlichen Haltung an Kris, bei der dieser die Augen feucht wurden. Ein Beben durchlief sie, wie sie es weder bei der Abschlussfeier des Colleges erlebt hatte noch als sie das Offizierspatentder Navy empfangen hatte. Nicht einmal unter Beschuss hatte sie ein solches Gefühl empfunden. Jetzt stellte sie fest, dass ihr die Haut dabei brannte, wenn sie dermaßen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand. Das war jedoch nicht, was sie zittern machte. In Emmas Augen zu blicken, das glich dem Blick ins Gesicht einer Göttin.
Nichts in der Welt ist so erschreckend wie das Antlitz der absoluten Wahrheit.
»So lauten die Worte des Regimental Sergeant Major«, begann Emma leise. »Die Geschichten sind wahr; ich habe dich nicht belogen. Jetzt wirst du Menschen kommandieren, Männer und Frauen, nicht minder verängstigt, verwundet, müde und verwirrt als die in den Geschichten. Der Unterschied zwischen einem beliebigen Menschen, der sich fürchtet und müde ist, und einem Soldaten liegt in dir, der Befehlshaberin. Ab jetzt wird es deine Pflicht sein, ihnen zu helfen, dass sie tief im eigenen Inneren den Mut und die Willenskraft finden, die ihnen weiterzumachen helfen, die ihnen das zu vollbringen helfen, was nach deinem Beschluss getan werden muss.
Missbrauche diese Macht niemals. Wenn du sie vergeudest, vergeudest du nicht nur den Augenblick, sondern ein Menschenleben und alles, was das Leben diesem Soldaten hätte bringen können.
Wenn dieser Augenblick eintritt, für den sie gelernt
Weitere Kostenlose Bücher