Kris Longknife: Die Rebellin: Roman (German Edition)
und gelebt haben, übst du die Macht über Leben und Tod deiner Leute aus. Um diese Verantwortung verdient zu haben, musst du deiner Soldaten Diener sein. Sind ihre Füße trocken? Haben sie anständig zu essen? Haben sie einen Schlafplatz? Stehe für sie gerade, ehe du es für dich selbst tust. Man hat dir die Befehlsgewalt über sie gegeben. Du verschwendest diese, wenn du sie für irgendetwas benutzt, was nicht deine Soldaten und dich auf jenen entscheidenden Tag vorbereitet, an dem der Tod an eurer Seite marschiert.
Du und sie, ihr werdet überleben, oder ihr sterbt möglicherweise. Ungeachtet aller Sorgfalt, die du in deine Ausbildung investiert hast, spielt vielleicht der Zufall zum Tanz auf, wenn der Augenblick kommt. Aber das ist keine Entschuldigung dafür, dem Zufall mehr zu überlassen, als es die Gesetze des Universums verlangen.
Ungeachtet aller Geschichten haben Helden keinen Platz. Man macht keinen Helden aus sich selbst. Wenn du dem Ruhm nachjagst, vergeudest du deine Zeit und deiner Soldaten Leben. Der Ruhm findet dich von allein. Wenn du schon Zeit darauf verwenden musst, über künftigen Ruhm nachzusinnen, bete darum, dass du und deine Leute bereit sein werden, eine schwere Bürde zu tragen, wenn sie euch in der Hitze der Schlacht übertragen wird.
Und denke zuletzt daran, dass wir die Geschichten nicht erzählen, um unsere Zuhörer zu unterhalten oder uns im Ruhm anderer zu sonnen. Wir erzählen sie, weil wir müssen. Wir erzählen sie, um den Gesichtern Treue zu erweisen, die uns nachts verfolgen und Düsternis in unsere Tage bringen. Sie haben das, was immer sie hätten haben können – Liebe, Kinder, Sonnenuntergänge –, nicht für ein Ordensband aufgegeben, sondern für einen Glauben. Nicht für einen Planeten, sondern für Kameraden. Nicht weil man es ihnen befohlen hat, sondern weil sie sich dazu entschieden haben.
Wenn du diese Uniform wählst, trittst du in diesen Glauben ein, für den so viele vor dir gelebt haben und gestorben sind. Brich dieses Vertrauen, und es bleibt kein Leben in dir, wenngleich du weiter atmest.«
Als sie geschlossen hatte, sank Emma auf ihrem Stuhl zusammen, als ob ein Geist ihren Körper verließe. Kris saß in einer Stille, die heiliger war als alles, was ihr je begegnet war. Irgendwo rief der Colonel nach den Pfeifern. Sie marschierten herein, aber ihr Spiel rührte nicht an die Stille in Kris’ Herz. Kris hatte dieAbschlussfeier des Colleges noch in der Hitze jener Worte erlebt, die sie mit Mutter und Vater über ihre Entscheidung für die Navy gewechselt hatte. Als man ihr das Offizierspatent auf der OKS überreichte, erlebte sie das voller Zorn darüber, dass ihre Eltern sich nicht die Mühe gemacht hatten, auf ihren dichten Terminkalendern Platz zu machen und zu kommen. Zu beiden Anlässen hatten sich ihre Gedanken nicht um das gedreht, was sie jeweils tat, sondern eher darum, woher sie stammte. In diesen Augenblicken war sie ganz davon in Anspruch genommen worden, dass sie eine dieser Longknifes war.
Aber diese Fremden mit ihren Traditionen hatten etwas am Leben gehalten, was Kris dichter als je zuvor an das heranführte, was es bedeutete, eine Longknife zu sein. Statt sie jedoch kleiner zu machen, hatte es ihr geholfen, zu weit mehr heranzuwachsen. Etwas wurde stärker in ihr, etwas, das sie nicht in Ansätzen ergründen konnte. Mit der Zeit würde sie es verstehen. Zeit hatte sie reichlich.
Kris hatte keinen Hunger mehr und saß da, die Hände im Schoß verschränkt. Ringsherum nahm die Feier ihren Fortgang. Die Dudelsackbläser spielten. Irgendwann versuchte sich Tommy im Schwerttanz, und wenn er es schon nicht mit Eleganz tat, so doch mit ausreichend Kompetenz, um keine Schande über die Navy zu bringen. Die anderen in der Messe überließen Kris ihrer Sphäre der Schweigsamkeit, wie ein Kind, das im Leib der Mutter schwebte. Und wie ein solches Kind nahm sie Laute, Gefühle, Handlungen auf, nicht so sehr mit Augen und Ohren und Fingern, sondern irgendwie als Gesamteindruck.
Als das Essen vorüber war und die Pfeifer sie aus dem Speisesaal zu Brandy und Zigarren hinausführten, beugte sich Kris zu Emma hinüber. »Danke, dass Sie mit mir geteilt haben, was Sie als Schatz im Herzen hüteten.«
»Ich werde es dort weiter hüten, bis es Zeit wird, es an meine Tochter oder meinen Sohn weiterzugeben.«
»Ich hoffe, sie oder er stört sich nicht daran, dass Sie es schon mit mir geteilt haben.«
»Diese Worte tragen einen Zauber in sich. Auch
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