Kris Longknife: Die Rebellin: Roman (German Edition)
zugerufen. Kris marschierte mit geraden Schultern und aufrechtem Kopf; ihr Ausbilder wäre stolz auf sie gewesen.
General Ho las die Lobrede mit klarer, barscher Stimme vor und schloss mit den Worten: »Ihr Vorgehen im Angesicht verbrecherischer Taten und unter feindlichem Beschuss bereitet Ihnen selbst ebenso Ehre wie der Raumflotte, in der Sie dienen.«
Kris blinzelte; früher hatten solche Ehrenansprachen immer mit der Wendung geendet: »… wie der Raumflotte der Society of Humanity, in der Sie dienen.« General Ho reichte ihr die Ordensmappe. Hinter ihr scharrten die hochrangigen Offiziere in ihrem Ghetto mit den Füßen, praktisch ein Protestschrei gegen die Auslassung dieser Worte. Kris warf einen verstohlenen Blick in die Mappe. Dort stand die traditionelle Wendung Schwarz auf Weiß. General Ho hatte sie ausgelassen. War das seine Art, den Offizierskameraden mitzuteilen, dass die grüne und blaue Flagge eingeholt werden sollte?
Den Zivilisten entging dieser Teil des Dramas natürlich. Sie standen auf, während Vater und Mutter neben Kris Aufstellung bezogen. Natürlich heftete ihre Mutter die Medaille an.
»Nun, Liebes, nachdem du jetzt deine Glasperle erhalten hast, bist du bereit, nach Hause zurückzukehren?«, flüsterte sie ihr zu, während sie es zuwege brachte, Kris die Nadel in die linke Brust zu stoßen. »Eine Miniaturausgabe wird einen wunderbaren Anhänger abgeben. Ich kennen einen Juwelier, der ein paar Diamanten anbringen könnte, damit es wirklich himmlisch aussieht.«
»Mutter«, flüsterte Kris und sprach das Wort mit Absicht so aus, wie sie es mit vierzehn getan hatte … wie es vermutlich Generationen von Mädchen ausgesprochen hatten. »Man verlässtdie Navy nicht so einfach. Dort heißt das Fahnenflucht oder Meuterei oder so.«
»Oh, dein Vater hat mir gerade heute Morgen erzählt, die Raumflotte unterliege einer Etatkürzung. Schickt sie ihre Leute dann nicht frühzeitig nach Hause?«
»Ja, Mutter, aber ich bin Offizier. Wir sind nur auf halben Sold gesetzt und sollen für die halbe Arbeit zurückkehren.«
»Na ja, mir scheint, dass …«
»Ein Lächeln für die Kameras«, knirschte Vater und machte es vor. Kris und Mutter gehorchten.
Die Zeremonie löste sich in Luft auf, als dann alle Welt ihrer Wege ging. Mutter und Vater mussten eine Menge Leute treffen. General Ho musste sich einer Menge hochgezogener Brauen stellen. Kris machte sich auf die Suche nach einer Sitzgelegenheit irgendwo abseits, um dort ihr sonst so sonniges Gemüt wiederzufinden und das Bedürfnis zu unterdrücken, sich einen echten Drink zu bestellen.
Sie hatte erwartet, belagert zu werden oder doch wenigstens ein paar Gratulanten zu begegnen, aber sie fand sich allein mit Tommy wieder und nutzte die Gelegenheit, die anderen zu betrachten. Die Kluft zwischen den zivilen und den militärischen Gästen der Zeremonie klaffte so tief wie die zwischen den unterschiedlichen Gründen für die Einladung. Die Zivilisten hatten Sachen gebaut, entdeckt, Dinge in Gang gebracht, alles zum größeren Ruhm der Menschheit … und ihrem eigenen, vielen Dank auch. Kris hatte sich beinahe um Kopf und Kragen gebracht, damit ein kleines Mädchen überleben konnte.
Kris schüttelte den Kopf. »General Ho hat etwas vor sich hingebrummt, als er vom Podium ging. Etwas darüber, die Leute wären dem Spielfeld so fern, dass sie nicht mal wüssten, was für ein Spiel dort läuft«, erklärte sie niemandem speziell. »Ich habe ihn nicht gefragt, wen er damit meinte, das Publikum oder die Generals, aber ich weiß vermutlich, was er zu sagen gehabt hätte.«
Tommy blickte sich um. »Es würde auf beide passen.« Damit ließ er Kris mit der Vorstellung allein, jemand versuche, ein Fußballspiel in Gang zu halten, in dem die beiden Mannschaften niemals den eigenen Strafraum verließen.
Kris verfolgte, wie ihre beiden Urgroßväter die Runde machten und versuchten, ein Endspiel für die Society of Humanity zu organisieren, ein Versuch, die Spannung zwischen zwei Fraktionen zu mildern: eine mit der fast religiösen Überzeugung, die Menschheit müsste geeint bleiben, während die andere darauf beharrte, jeder hätte das Recht zu tun, was er wollte. Aber selbst wenn die Spannung zwischen den beiden Seiten behoben würde, blieben zwei Gruppen in jeder der Fraktionen zurück: eine, die um Profit und Macht und den damit verbundenen Ruhm kämpfte, eine andere, die auf Opferbereitschaft, Macht und Ruhm abzielte. Spiele innerhalb von
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