Kris Longknife: Unter Quarantäne: Roman (German Edition)
zurückliegenden sechs Monaten ist es richtig schlimm geworden.«
»Etwa zu der Zeit, als ›Auflösung‹ zum politischen Schlagwort überall auf den Randwelten wurde«, ergänzte Jack.
»Wenn es um die Zukunft geht«, Abby zuckte die Achseln, »springt jeder, der schlau ist, entweder auf den Zug auf oder wird von ihm überfahren.«
»Gesprochen wie eine echte Überlebenskünstlerin«, knurrte Jack und wippte auf den Fersen, wobei er hoch über die anderen aufragte.
»Ich bin am Leben. Nicht alle meine früheren Arbeitgeber hatten so viel Glück«, entgegnete Abby und arrangierte sittsam ihren Rock, wie sie dort auf der Kante der Badewanne saß.
»Wie sieht die Lage derzeit aus?«, erkundigte sich Kris und unterbrach damit das Geplänkel, das zwischen ihrem Personenschützer und ihrer Kammerdienerin langsam zum Normalzustand wurde.
»Offiziell hat sich nichts verändert. Die aktuelle Regierung folgt weiter der alten politischen Linie.«
»Aber?«, hakte Kris nach.
»Mehrere Gruppierungen scheinen sich derzeit zusammenzuschließen«, antwortete Penny langsam. »Sie sind eine dieser Longknifes.«
»So sagt man mir … regelmäßig und immer wieder. Gestatten Sie mir eine Vermutung: Großes Geld scheint die treibende Kraft hinter der neuen Gruppierung zu sein.«
Der Lieutenant nickte. »Geld hinter den Schifffahrtsunternehmen, den Banken, der schweren und mittleren Industrie, all den Branchen, die profitieren würden, falls ein Haufen neuer Kolonien auf einmal auf Abbys fahrenden Zug der politischen Auflösung aufsprängen … und über jeden hinwegwalzten, der ihnen in die Quere käme. Es greift auch auf ihre eigenen Medien über. Die Nachrichtensender trommeln kräftig für die Expansion. Die populären Vids der jüngsten Zeit handeln von den frühen Pionieren und der Freude daran, ein unerschlossenes Land zu bändigen. Spaß und die Chance, groß zu werden.«
»Und die Leute saugen das auf.«
»Die jungen Leute, die Randgruppen, Menschen, die nicht ganz hineinpassen … und die auch nicht wählen gehen.«
»Wann findet denn die nächste Wahl statt?«, fragte Jack.
»Seit fast fünf Jahren wurde nicht mehr gewählt. Die Regierungspartei wird in den nächsten beiden Monaten einen Wahltermin ansetzen müssen.«
Kris stieß einen Pfiff aus. »So schnell!«
»Da weiß man auch gleich, warum wir Wardhavener hier wie auf Eiern gehen.«
Kris schüttelte den Kopf; sie hatte allmählich wieder dieses alte, vertraute Gefühl. Dieses Gefühl, wenn man ein Minenfeld halb durchquert hat und die zweite Hälfte doppelt so breit wirkt. »Sie haben mir noch immer nicht verraten, was Sie über Tommy wissen.«
»Die lange Version oder die Zusammenfassung?«
»Fangen wir mal mit der Zusammenfassung an.«
»Nichts. Ich weiß kein bisschen mehr als zu dem Zeitpunkt, an dem ich auf die Schnelle hierher zurückgerufen wurde, um Toms Spuren zu folgen.«
»Dazu existiert eine lange Version?«, wollte Jack wissen.
»Ja. In dieser Version erzähle ich Ihnen alles, was wir getan haben, um schließlich gar nichts herauszufinden«, antwortete der Navy-Lieutenant und blickte zu dem Personenschützer auf.
»Sie wissen ja, dass er von dieser Station aus anzurufen versucht hat«, sagte Kris. »Darüber müssen Sie etwas mehr erfahren haben. Wenn schon sonst nichts, so muss er doch von Überwachungskameras gefilmt worden sein.«
»Das sollte man denken«, pflichtete ihr Penny vage bei.
»Aber?« Kris war es leid, dieser Frau jede einzelne Erklärung aus der Nase zu ziehen. Vielleicht half es ja, wenn man ihr eine Brechstange in den Hals rammte.
»Ihnen sind vielleicht die umfassenden Bauarbeiten an der Station aufgefallen. Sie hat sich in den vergangenen neun Monaten erst verdoppelt und dann noch einmal verdoppelt. Wie es scheint, war an dem Tag, als Tommy hier durch kam, das gesamte Sicherheitssystem wegen einer Erweiterung ausgeschaltet.«
»Das ist unglaubhaft«, knurrte Kris.
»Ich glaube es auch nicht.« Penny seufzte. »Ein Geschäftsvolumen in Milliardenhöhe wird täglich hier abgewickelt. Sie würden mächtig in Aufregung geraten, wenn sämtliche Kameras einen Tag lang nicht funktionierten … aber sie haben sie abgeschaltet. Ich habe mit der Hälfte des Überwachungspersonals gesprochen. Entweder ist jeder einzelne von ihnen ein krankhafter Lügner, oder sie waren an dem Tag wirklich auf der Station unterwegs, um alles mit den eigenen Augen zu überwachen. Sie schwören, die Sicherheitszentrale wäre
Weitere Kostenlose Bücher