Kristall der Träume
Wagen das Flussbett entlang geschoben und gezogen werden mussten. Die Pioniere schafften Felsblöcke zur Seite und schlugen Unterholz weg, und wo das Flussbett vollends unpassierbar wurde, hievten sie ihre Wagen mit Seilwinden über die Steilufer. Jede männliche Hand war gefragt, um den Weg freizumachen. Des Abends fielen die Männer erschöpft auf ihre Decken, während die Frauen die Blasen und Schrammen ihrer Ehemänner, Brüder und Söhne mit Salben behandelten und Worte der Ermutigung sprachen.
Immerhin gab es Wasser, wie Tice betonte, und Weidegründe für das Vieh. Es gab aber auch Schwärme von Steckmücken und andere Plagegeister.
Mit einer Geschwindigkeit von fünf Meilen pro Tag quälte sich die Wagenkolonne vorwärts; sie mussten die Ochsengespanne verdoppeln, um die Wagen über den Gebirgskamm zu schaffen.
Schließlich bogen sie nach Südwesten ab, durch eine dürre, felsige Landschaft mit Beifußgestrüpp und Steppengras, bis ein weiteres, unüberwindbar scheinendes Hindernis vor ihnen lag: die große Salzwüste von Utah.
Abends war die Stimmung im Lager gedämpft. Die Kolonne kam bei Tag nur langsam voran, die Sonne brannte auf die Wüste herab, und immer häufiger musste Rast eingelegt werden, weil sich viele Männer beim Kampf durchs Gebirge Verletzungen zugezogen hatten. Während sich die Frauen um ihre Männer sorgten – Joe Stricklands Fuß begann zu eitern, und Emmeline tat ihr Bestes –, wurde Arnos Tice von einer ganz anderen Sorge gequält: Sie hielten den Zeitplan nicht mehr ein, und vor ihnen lagen die Gipfel der Sierra und der drohende Winterschnee.
Unter einer erbarmungslosen Sonne zogen sie durch die Salzwüste. Die Sonnenstrahlen wurden von der weiten, schneeweißen Salzfläche zurückgeworfen, und so weit das Auge reichte, war absolut nichts zu sehen, kein Grashalm, kein Wassertropfen. Sie tränkten die Zungen der Zugtiere mit nassen Tüchern, weil sie fürchteten, dass ihre Tiere in dieser wasserlosen Wüste verrückt vor Durst würden. Die vorausfahrenden Planwagen wirkten in der flirrenden Hitze wie gigantische Schiffe, die entfernten Berge schienen in der Luft zu schwimmen. Die Mittagssonne war wie ein Hammer oder ein vulkanischer Schmiedeofen, wie die Gebildeteren unter den Reisenden es ausdrückten. Und die Nächte waren erbarmungslos kalt, die eisige Kälte drang durch die Schlafdecken, ließ Kinder weinen und die Rinder muhen. Der Boden war so hart gebrannt und fest, dass die Hufe der Tiere keinerlei Spuren hinterließen. Schließlich gelangten sie an einen flachen See, der den Alkalistaub in Schlamm verwandelte. Nun wurde jeder Schritt zur Qual, der klebrige Brei hing wie Bleigewichte an ihren Füßen, klumpte um Wagenräder und brachte Ochsen ins Stolpern.
Dennoch quälte sich der Tross weiter durch die sengende Hölle.
Joe Stricklands Fuß verschlimmerte sich von Tag zu Tag. Emmeline hielt den Kopf des von Fieber geschüttelten Mannes in ihrem Schoß.
Auch andere Pioniere kränkelten, aber sie kämpften sich weiter vorwärts, denn ein Anhalten bedeutete den sicheren Tod. Eine Abordnung von Männern kam zu Tice, man wolle die Mormonen um Hilfe bitten (obwohl niemand zu sagen vermochte, wo genau Brigham Youngs Sekte sich niedergelassen hatte), doch Tice, wohl wissend um seinen schlechten Ruf bei den Heiligen der Letzten Tage, wusste dieses energisch zu verhindern, indem er erklärte, dass sie viel zu weitab seien und es einem Selbstmord gleichkäme, nach der Sekte zu suchen.
Immer weiter mühte sich der Treck, durch die brütende Hitze des Tages und die bis ins Mark gehende Kälte der Nacht, mit aufgesprungenen, blutigen Lippen, geschwollenen Zungen und nur noch löffelweise zugeteilten Wasserrationen. Die Ochsen der Schumann-Brüder versagten als Erste, sie legten sich einfach nieder und brüllten vor Durst. Daraufhin vergruben die vier Deutschen ihre Pflüge und landwirtschaftlichen Geräte einfach im Sand mit dem festen Vorsatz, sie wieder auszugraben, sobald sie Land in Oregon gefunden hatten.
Das Neugeborene der Biggs, das erst vor drei Monaten von Albertina Hopkins ans Licht der Welt geholt worden war, erlag der Hitze und wurde im Sand begraben. Die Hühner der Benbows kippten vor Durst einfach um, und selbst Daisy, die sonst so unermüdliche Hündin, trottete nur noch neben Sean Flahertys Wagen her. Alle dachten, die Große Salzwüste würde niemals enden.
Aber auch dieser Spuk hatte irgendwann ein Ende. Als die Wagenkolonne an der ersten Wasserstelle am
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