Kristin Hannah - Wenn das Herz ruft
und Isuprel. Er machte sprunghaft Fortschritte und hatte die Intensivstation früher als die meisten Patienten verlassen können. Der Physiotherapeut hatte ihn bereits zweimal besucht und berichtet, dass er auf sei und täglich mindestens vierzig Minuten liefe. Die Blutkulturen waren negativ.
Ja, körperlich machte er prächtige Fortschritte. Seelisch war er eine Katastrophe. Er schien unfähig zu sein, sich mit der neuen Lebensweise abzufinden. Jede Pille oder Spritze und jeder Bluttest machten ihn verrückt. Er konnte die Schwellung seiner Wangen nicht ertragen und auch nicht den Gewichtsverlust, den er durch seine Krankheit erlitten hatte.
Kurz gesagt, er war meistens ungenießbar.
Aber lange würde dieser Zustand nicht mehr währen.
Bald würde Angel aus dem Krankenhaus entlassen werden und auf sich allein gestellt sein. Außer ihm selbst kümmerte sich dann niemand um ihn.
Und wenn sich nicht schnell etwas änderte, fürchtete sie, dass er das Ganze nicht ernst genug nehmen würde. War das nicht immer Angels Problem gewesen - dass er nichts ernst nahm?
Seine Medikation war etwas, das er nicht ignorieren konnte. Er musste sich an die Regeln halten, einmal in seinem Leben wenigstens. Wenn er das nicht tat ...
Sie verdrängte den Gedanken, weigerte sich, ihn weiterzuverfolgen. Angel hatte Francis' Herz - alles das, was von ihrem lachenden, blauäugigen Priester geblieben war - und sie wollte verdammt sein, wenn sie zuließ, dass er dieses Wunder einfach wegwarf.
Im Augenblick war er verloren. Sie konnte das in seinen Augen sehen, in der flüchtigen Weichheit seiner Berührung spüren. Und wann immer Angel Angst hatte, wurde er wütend. Das wusste sie, hatte es immer gewusst.
Die Frage war, was sie dagegen tun sollte.
Sie ging zu seinem Bett hinüber, nahm seine Hände in ihre.
»He, Mad«, sagte er mit schläfriger Stimme, »ich nehme an, du willst sehen, wie der alte Allenford wieder in mich reinsticht.«
Chris tauchte etwas Watte in die Jodlösung und betupfte damit eine Stelle an Angels Hals.
Angel zuckte bei der Berührung zusammen und kniff die Augen zu.
Madelaine konnte sehen, welche Angst er hatte, und sie hielt seine Hand fester. Sie wollte ihm sagen, dass alles gut sein würde, aber sie war Ärztin und wusste - ebenso wie er -, dass diese Prozedur zu wichtig war, um sich über Allgemeinplätze zu ergehen. Sie würde sie warnen, falls sein Körper Francis' Herz abstieß.
»Ich brauche mehr Valium«, murmelte er und öffnete die Augen, um sie anzusehen.
Sie versuchte zu lächeln. »Wir haben dir bereits mehr gegeben, als dir zusteht.«
Er verzog eine Hälfte des Mundes zu einem lässigen Grinsen. »Ich war noch nie gut beim Teilen meiner Drogen. Ich vertrage eine Menge - ich brauche mehr.«
Sie hörte die Gereiztheit in seiner Stimme und wünschte, sie könnte ihn beruhigen.
Er lag dort, den Kopf stark zur Seite verdreht. In dem Teil des Halses, der orangerot bemalt war, pulsierte eine dicke blaue Ader. Allenford injizierte direkt unter Angels Adamsapfel ein Lokalanästhetikum. Als das Betäubungsmittel wirkte, führte er eine Nadel in die Drosselader ein und führte das Bioptom weiter, immer weiter auf Angels Herz zu.
Alle vier Köpfe drehten sich zu dem Monitor am Fußende des Bettes. Angels Herz tauchte als ein pumpender, sich windender Schatten auf dem Bildschirm auf. Allenford knipste ein winziges Stück des Herzmuskels ab - nicht größer als ein Stecknadelkopf - und zog das Bioptom heraus.
»Das ist alles, Leute«, sagte er und lächelte, während er die Probe in einen Behälter legte und den kleinen Einschnitt verband. Er streifte die weißen Gummihandschuhe ab, warf sie in den Mülleimer und stand dann auf. »Die Ergebnisse sollten wir in ein paar Stunden haben.«
Die Operationsschwester packte alles ein und verließ das Zimmer.
Allenford nahm seine Akte und studierte die Notizen. »Beschäftigt Sie irgendwas, Angel?«
Angel drehte sich dem Chirurgen zu und starrte ihn an. »Da Sie schon fragen, ja. Mad will mir nichts über meinen Spender sagen.« Er sprach das Wort Spender aus, als schmecke es bitter auf seiner Zunge.
Chris' Blick wanderte für eine Sekunde zu ihrem Gesicht und Madelaine spürte, dass ihre Wangen heiß wurden. Dann sah er wieder Angel an. »Bei diesen Dingen gibt es strenge Vorschriften, Angel. Wir haben in den Jahren unserer Praxis festgestellt, dass das Übergangsstadium besser verläuft, wenn Vertraulichkeit gewahrt bleibt.«
Angel verdrehte die Augen
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