Kristin Hannah - Wenn das Herz ruft
fest die schlaffen, reaktionslosen Finger ihres Mannes umschlossen. Bei Madelaines Eintreten blickte sie auf. »Hallo, Dr. Hillyard.«
Madelaine schenkte der Frau ein freundliches Lächeln und trat an das Bett. Sie kontrollierte wortlos die Schläuche, machte eine Notiz auf seiner Karte, dass der Kanister häufiger zu leeren sei, und prüfte seine Medikamente. Pressorstoffe, Immunosuppressoren und Antibiotika - sie alle liefen auf Hochtouren, um Toms geschundenen, aufgeschnittenen Körper daran zu hindern, das neue Herz abzustoßen.
»Es sieht gut aus, Susan. Er sollte bald zu Bewusstsein kommen.«
Tränen quollen unter den Lidern der Frau hervor und rollten über ihre Wangen. »Die Kinder haben nach ihm gefragt. Ich ... ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
Madelaine wollte ihr sagen, dass alles gut werden würde -weitaus besser als nur gut -, dass Tom bald aufwachen und seine Frau anlächeln und seine Kinder halten und das Leben gut sein würde.
Aber Tom war ein ganz besonderer Patient. Dies war seine zweite Herztransplantation. In den zwölf Jahren seit seiner ersten Operation hatte er bewiesen, dass Transplantationen das Leben eines Patienten wahrhaftig verlängern konnten - er hatte zwei weitere Kinder gezeugt, war Marathonläufer geworden und hatte sich landesweit engagiert, um für Organspenden zu werben, weil Transplantationen immer erfolgreicher waren. Doch schließlich hatte sein Herz aufgegeben und jetzt war er wieder ein Pionier. Einer der wenigen Patienten, die überhaupt jemals eine dritte Chance bekamen.
»Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll«, sagte Susan leise.
Madelaine antwortete nicht. Es war nicht nötig. Stattdessen zog sie einen Stuhl heran und setzte sich. Sie wusste, dass ihre Anwesenheit Susan trösten würde, für die Frau ein Anker in der stillen, erschreckenden Welt der Genesung nach der Operation war. Ihr Blick fiel kurz auf die Wanduhr und sie merkte sich, wie spät es war. Sie hatte ihren nächsten Termin in fünfundvierzig Minuten. Sie würde eine Weile bei Tom bleiben können.
Auf dem Bett hustete Tom schwach. Seine Lider zitterten.
Susan beugte sich zu ihm. »Tommy? Tom?«
Madelaine drückte auf den Klingelknopf, um eine Krankenschwester zu rufen, stand auf und neigte sich über das Bett. »Tom? Können Sie mich hören?«
Er öffnete seine Augen und versuchte um das Intubationsrohr herum ein Lächeln. Er streckte seine Hand hoch und drückte sie auf das Gesicht seiner Frau.
Dann schaute er Madelaine an und hob einen Daumen.
Für einen Augenblick wie diesen lebte Madelaine. Gleich, wie viele Male sie so an einem Bett stand, sie würde sich nie an dieses erregende Erfolgsgefühl gewöhnen, bei dem Adrenalin sie durchschoss. »Willkommen im Leben.«
»Oh, Tommy.« Jetzt weinte Susan heftig. Tränen tropften von ihrem Gesicht und fielen auf die blassblaue Decke.
Madelaine führte ein paar Tests mit ihm durch, bevor sie das Zimmer verließ, um das Paar ungestört allein zu lassen. Auf dem Korridor hielt sie die Oberschwester an und informierte sie über den neuesten Stand, holte dann ihren Mantel aus ihrem Büro und eilte aus dem Gebäude.
Sie fuhr von dem Parkplatz und weiter mit hoher Geschwindigkeit die Madison Street hinunter in Richtung Autobahn. In den ersten Augenblicken war sie überglücklich, aufgeheitert von Toms Fortschritt. Bald würde er sein Bett verlassen können, seine Kinder küssen, sie auf seinem Schoß halten, sie an einem strahlenden Frühlingstag in die Luft werfen können.
Sie, die anderen Mitglieder des Transplantationsteams und die Familie des Spenders hatten alle ihren Teil geleistet, um dieses Wunder zu vollbringen. Egal, wie oft es geschah, sie empfand immer ein unglaubliches, demütiges Gefühl von Ehrfurcht. Wenn ein Patient nach der Operation aufwachte, war sie selig. Oh, sie wusste, dass es morgen enden konnte, wusste, dass sein Körper das Herz abstoßen und sich wie ein tollwütiger Hund dagegen stellen konnte. Aber sie glaubte immer an das Beste, betete und arbeitete dafür.
Sie blickte kurz auf, sah das Schild, das ihre Ausfahrt anzeigte, und ihre gute Stimmung verflog so schnell, wie sie gekommen war.
Sie war auf dem Weg zu einer Besprechung mit der Highschool-Studienberaterin ihrer Tochter. Sie erwartete nichts Gutes.
Madelaine seufzte und spürte das erste verräterische Pochen migräneartiger Kopfschmerzen. Ja, die Tom Grants dieser Welt waren der Grund, warum sie tat, was sie tat, warum sie Jahre auf dem College
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