Kristin Hannah - Wenn das Herz ruft
Wanderschuhe holen und alle Lichter ausschalten.«
»Mein Zimmer ist die erste Tür links. Die Schuhe sind in meinem Kleiderschrank.«
»Danke, dass du's mir gesagt hast. Ich wollte schon im Kühlschrank danach suchen.«
Sie hörte, wie seine Schritte sich über den Korridor entfernten. Vorsichtig ertastete sie sich ihren Weg aus der Haustür und blieb auf der Veranda stehen.
Die Nacht war voller Geräusche. Sie konnte hören, wie irgendwo auf der Straße eine Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Ein leichter Windstoß brachte das letzte Blatt ihres Apfelbaums zum Rascheln. Kalte Luft strich über ihre Wangen und zauste an ihrem Haar. Neben ihr quietschte die Verandaschaukel. Die Metallketten klirrten. Sie glaubte, ein Seufzen zu hören - aber es musste der Wind sein -, dann meinte sie, den markanten Duft von Francis' Eau de Cologne zu riechen.
»Francis?«, flüsterte sie und fühlte sich dabei wie ein Narr.
Angel schloss die Tür hinter sich und führte sie zu der Verandaschaukel, ließ sie vorsichtig darauf Platz nehmen. Seine Knie knackten, als er sich vor sie kniete, behutsam ihre Slipper auszog und ihre Füße in die Schuhe steckte.
Sie fühlte sich wie Cinderella.
Dann nahm er ihre Hand und führte sie die Treppe hinunter, über den Hof, und half ihr auf den Beifahrersitz seines Mercedes. Schweigend startete er den Motor und fuhr los.
Madelaine versuchte zu verfolgen, wohin sie fuhren, und es gelang ihr auch bei den ersten Blocks. Doch dann gerieten all die Abbiegungen und Kurven durcheinander und sie lehnte sich zurück und genoss die Fahrt.
Schließlich hielt er an und stellte den Motor ab. Sie saß da, wartete darauf, dass er die Beifahrertür öffnete. Erwartung schmerzte süß in ihrer Brust, zitterte in ihrem Atem.
Er half ihr aus dem Wagen. Sie spürte seine Hände an dem Knoten des Halstuchs. Als er ihn gelöst hatte, hielt er es fest und beugte sich näher zu ihr, flüsterte ihr ins Ohr: »Willkommen im Jahre 1978.«
Er nahm ihr die Augenbinde ab und sie mochte nicht glauben, was sie sah. Sie waren im Carrington Park, doch der war zu einem Jahrmarkt verwandelt, in ein grelles, dramatisches Lichtermeer in der samtenen Dunkelheit der Nacht. Sterne waren überall, sprühten herab, wurden in den blitzenden gelben und rosa und roten Lichtern des Mittelwegs gefangen. Ein gewaltiges Riesenrad stand, einem mechanischen König gleich, in der Mitte von all dem und drehte sich langsam auf seinem wohl beleuchteten Weg.
Sie konnte spüren, wie der Zauber des Jahrmarktes sie umfing, sie in die Vergangenheit zurückzog, bis sie wieder ein junges Mädchen war, mit dem Jungen ihrer Träume am Rand der Ewigkeit stand. Es war so sehr wie damals. Es roch nach Popcorn und Schmiere und Möglichkeiten. Die Geräusche von lärmenden Marktschreiern und mechanischer Musik schwebten in der stillen Nachtluft.
Sie wandte sich scheu zu ihm. »Woher wusstest du, dass das hier sein würde?«
Er lächelte und steckte eine widerspenstige Haarsträhne hinter ihr Ohr. »Ich habe es hergebracht. Für dich... für mich.«
Sie schüttelte den Kopf. »Heißt das, du ...«
»Meine frühere Ärztin ist eine Tyrannin. Ich wusste, dass sie mich nicht in die Öffentlichkeit gehen lassen würde. Also habe ich diese Jungs engagiert. Ich verspreche, dass ich in Gegenwart Fremder meine Maske tragen und sie nur für dich abnehmen werde.«
»Du brauchst jetzt wirklich keine Maske mehr. Du weißt...«
»Willst du jetzt hier stehen bleiben und eine Analyse unseres Rendezvous machen oder willst du es genießen?«
Sie blickte auf den bunt erleuchteten Hauptweg. Sie schloss die Augen und sog alles in sich ein. Vergangenheit und Gegenwart verschmolzen in ihren Gedanken miteinander, bis es kein Damals und kein Heute mehr gab, nur noch sie und Angel und den Zauber des Jahrmarktes. »Ich will es genießen.«
»Gott sei Dank.« Er nahm ihre Hand und zog sie mit sich, auf die Lichter zu. Lachend folgte sie ihm, umklammerte fest seine Hand, während er sie zu dem Ort zurückführte, wo alles begann.
Kapitel 25
Madelaine und Angel spazierten Hand in Hand über den Hauptweg. Das surrealistische Gemisch von Geräusch, Farbe und Licht explodierte um sie herum. Marktschreier riefen laut, lachten, drängten Angel, sein Glück beim Ringwerfen zu versuchen oder einen Schokoriegel zu kaufen oder ein Foto von sich und Heloise, der fetten Frau in Bude Nummer sechs, machen zu lassen.
Madelaine war von all dem fasziniert. Mit jedem Schritt
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