Kristin Hannah - Wenn das Herz ruft
koketten Blick zu. »Außerdem sind einige von ihnen total als Katholiken geeignet... Sie finden die Missionarsstellung stark.«
Francis spürte die Hitze, die in seine Wangen stieg. Er sah Linas verschmitztes Grinsen und wusste, dass sie sein Erröten sah. »Ich vermisse die Tage, an denen ich dir deinen Mund mit Seife auswaschen konnte.«
»Das hast du niemals getan.«
»Nein, ich habe die Gelegenheit verpasst und jetzt ist es zu spät.«
»Ich werde mit Tequila spülen. Wie ist das?«
Er blieb plötzlich stehen und wandte sich zu ihr. »Das ist nicht komisch.« Er wusste, dass er mehr sagen sollte, aber die Dinge liefen gut - sie schien nicht böse auf ihn zu sein, weil er an ihrem Geburtstag Madelaines Meinung vertreten hatte. Er wollte keinen Ärger machen. Feigling, dachte er, während er innerlich zusammenzuckte, aber dennoch sagte er nichts mehr. »Was hältst du davon, wenn wir was essen gehen und uns einen Film ansehen?«
Lina seufzte. »Ist Mom mal wieder mit Arbeiten beschäftigt, die sie irgendwann heilig machen?«
Er legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie dicht an sich. »Du benimmst dich wie ein rotznäsiger Teenager.«
»Ich bin ein Teenager.«
»Ich weiß, ich weiß, aber gestehe mir meine kleinen Phantasien zu. Ich erinnere mich gerne daran, wie du einmal warst... als du noch keine Kampfstiefel trugst und dein Lieblingskraftausdruck Mama war.« Er lachte und sie lachte auch, während sie gemeinsam über den Bürgersteig gingen.
Neben seinem Wagen blieb Lina stehen und blickte zu ihm auf. »Wie war ich... du weißt schon, als ich noch ein Kind war? War ich damals so anders als sie?«
Francis hörte den Schmerz in ihrer Stimme, die Ungewissheit. Er führte sie zu einer Holzbank an der Ecke und sie setzten sich darauf. Sie schmiegte sich an ihn und plötzlich sah sie nicht einmal annähernd so anmaßend aus. Sie sah aus wie ein hageres, junges Mädchen in zu großer, hässlicher Kleidung -wie ein Kind, das sich sehnlichst wünschte, einen Weg zu finden, um zur Frau zu werden.
Er zog sie an sich. Sie lehnten sich zusammen zurück und starrten in den frischen Herbsthimmel hinauf. »Ich erinnere mich an deinen ersten Schultag, als ob es gestern gewesen wäre. Du wohntest mit deiner Mom in diesem großen Apartmenthaus im Universitätsbezirk. Das waren die Tage, an denen sie als Assistenzärztin im UW-Hospital arbeitete, und sie arbeitete rund um die Uhr. Du hast diese Tage auf der Kinderstation verbracht - warst mit den operierten Kindern im Aufenthaltsraum zusammen. Deine Mom schlief nie. Sie arbeitete und studierte, aber in jeder freien Sekunde war sie bei dir, las dir vor, spielte mit dir, liebte dich, wie ich noch nie zuvor jemand habe lieben sehen.«
»Märchen«, murmelte Lina. »Sie hat mir Märchen vorgelesen.«
»Schon damals warst du ein ungestümes, selbständiges kleines Ding. An dem Tag, als du in den Kindergarten kamst, nahm deine Mutter sich von der Arbeit frei. Sie zog dich an und wieder aus und wieder an, bis du mit deinen glänzenden schwarzen Schuhen und rosa Haarbändern und deiner Sesamstraßen-Brotdose wie eine Puppe aussahst. Alles war so arrangiert, dass die Eltern an diesem ersten Tag mit ihren Kindern im Bus fahren konnten - und Maddy war so aufgeregt. Sie war noch nie zuvor mit einem Schulbus gefahren und konnte es kaum erwarten. Aber als du an der Haltestelle warst, drehtest du dich zu ihr um und sagtest, du wollest alleine fahren.«
Lina runzelte die Stirn. »Daran erinnere ich mich nicht.«
»Tja, aber ich. Deine Mom brach fast in Tränen aus, aber sie wollte dir nicht zeigen, wie verletzt sie war. Stattdessen ließ sie deine kleine Hand los und ließ dich ganz allein in diesen großen Bus steigen. Du hast ihr nicht einmal zum Abschied zugewinkt, sondern bist direkt zu einem leeren Sitz marschiert und hast dich hingesetzt. Als sich die Türen geschlossen hatten, rannte Maddy nach Hause, sprang in ihren alten rostigen Wagen und folgte dem Bus zur Schule. Den ganzen Weg dorthin und zurück weinte sie.« Er wandte sich ihr zu und berührte ihre Wange. »Sie war so stolz auf dich ... und so ängstlich.«
»Ich weiß, dass sie mich liebt«, sagte Lina und starrte irgendwohin in die Ferne. »Und ich liebe sie. Es ist nur... manchmal schwer. Ich fühle mich, als gehörte ich nicht wirklich zu ihr. Es ist, als ob mich ein Außerirdischer zufällig zurückgelassen hätte.«
Er hielt sie fester. »Das gehört zum Erwachsenwerden. Keiner von uns weiß, wo er
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