Kristin Hannah - Wenn das Herz ruft
Augen.
Sie erwiderte das Lächeln, zaghaft erst und dann breiter. Das Lächeln veränderte ihre Gesichtszüge, neigte die Winkel ihrer Augen und ließ sie exotisch und zigeunerhaft wirken.
Wellen von hellbraunem Haar, an einigen Stellen sandfarben gebleicht, schimmerten in dem künstlichen Licht.
»Gegen etwas Gesellschaft hätte ich nichts«, sagte Angel.
Ihre Augen weiteten sich und er sah zum ersten Mal, dass sie von einem weichen Silbergrün waren. »Wirklich nicht?«
Francis seufzte - es war ein tiefes, müdes Geräusch der Niederlage. Dann schob er seinen Stuhl zurück und stand auf. Ein großer, unbeholfener blonder Junge, der sie ansah wie ein kleiner Hund und sie stumm anbettelte, ihn zu beachten.
Angel empfand einen Stich des Bedauerns, aber es war zu spät, rückgängig zu machen, was er getan hatte, und er wollte das auch gar nicht. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er etwas bekommen hatte, was Francis wollte, und es war ein gutes Gefühl.
Das Mädchen - er hatte später erfahren, dass ihr Name Madelaine Hillyard war - blickte zu Francis auf, als der das Zimmer verließ, schenkte ihm ein freundliches, strahlendes Lächeln und flüsterte »Auf Wiedersehen«. Sie hatte Francis nicht wieder angeschaut, damals nicht und nicht in den zauberhaften Monaten, die darauf folgten. Monate, die ihrer aller Leben veränderten.
Zuerst hatte Angel Madelaine gewollt, weil Francis sie wollte. Aus purem Egoismus, der wegen dem, was folgen sollte, umso niederträchtiger und schmerzlicher war.
Angel verliebte sich ganz einfach in sie. Zum ersten - und vielleicht einzigen - Mal in seinem Leben verliebte er sich mit Kopf und Herz und Körper und Seele. Der ruhige, bescheidene Teenager mit den riesigen, zauberhaften Augen war für einen kurzen, wundervollen Sommer seine Welt geworden. Sie sah etwas in ihm, das niemand je zuvor gesehen hatte - sie glaubte an ihn -, und als er sie in seinen Armen hielt, lernte er beinahe, an sich selbst zu glauben. Aber nicht ganz. Er hatte nicht ganz an sich selbst geglaubt...
Und obwohl er sie verlassen hatte, hatte er sie nie aus seiner Seele vertreiben können. Das war die eigentliche Tragödie bei all dem. Er hatte sie im Stich gelassen, ihrer aller Herzen gebrochen. Und wofür? Für ein Leben, das er damit verbracht hatte, ziellos von einer schäbigen Bar zu einem schäbigeren Hotelzimmer zu ziehen, immer und immer wieder die gleichen müden Geschichten Dutzenden von viel zu grell geschminkten Augen zu erzählen, die gleichen oberflächlichen Sätze an Hunderte von Lippenpaaren zu flüstern. Aber niemals die richtigen Lippen, niemals die richtigen Worte.
Und jetzt war er wieder hier, im Krankenhaus.
Nur dass diesmal vielleicht Francis als Sieger hervorgegangen war. Vielleicht war es Francis, der jetzt mit Madelaine schlief, Francis, der an ihren blassrosa Brustwarzen saugte und ihre vollen Lippen küsste.
Er zuckte zusammen.
Eifersucht durchschoss ihn, drehte ihm den Magen um, machte ihn plötzlich wütend.
Er wollte nicht, dass Francis Madelaine hatte.
»Gott«, flüsterte er, wünschte sich, es wäre ein Gebet, und wusste, dass es dafür zu spät war. Es war immer zu spät gewesen.
Kapitel 8
Madelaine saß auf der Sofakante, die nackten Füße zusammengepresst, die kalten Hände im Schoß verschränkt. Es war Samstagmorgen und sie war früh aufgestanden, um ein gutes, kräftiges Frühstück vorzubereiten. Sie hatte sich sorgfältig mit einer weiten Trainingshose und einem übergroßen T-Shirt bekleidet. Sie sah leger aus, wie sie fand.
Innerlich aber fühlte sie sich nervös und hatte Angst.
Ich verspreche dir, dass ich mit deinem Vater Kontakt aufnehmen werde ...
Sie hörte unten im Korridor die Toilette rauschen und sprang auf. Sie huschte in die Küche, zog das Schneidebrett heraus und begann Karotten zu zerkleinern.
Erst als sie drei geschält und zerschnitten hatte, wurde ihr bewusst, dass sie zum Frühstück keine Karotten brauchte.
Sie schob das Gemüse beiseite und starrte auf die geschlossene Tür. Ihre Ängstlichkeit verstärkte sich noch ein wenig mehr. Was, wenn sie die nicht überwinden konnte - was, wenn sie nicht gut genug lügen konnte, um ihre Tochter zu beschützen?
Der Türknopf des Badezimmers drehte sich, die Tür schwang auf. Lina stand im Türrahmen. Sie trug einen eng anliegenden gerippten Pullover und eine Hose, die nicht einmal ein Footballspieler der Nationalliga hätte ausfüllen können. Der Schritt hing zwischen ihren Knien und
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