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Kristin Hannah - Wenn das Herz ruft

Titel: Kristin Hannah - Wenn das Herz ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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los.
     
    Francis lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schloss die Augen. Später musste er Ilya Fiorelli besuchen, aber daran wollte er noch nicht denken. Und so saß er ruhig da und lauschte dem Phantom der Oper.
    Musik erfüllte das Besucherzimmer des Pfarrhauses, pulsierte und hämmerte und verstummte dann wieder. Langsam begann das nächste Lied. »Musik der Nacht.«
    Er seufzte erwartungsvoll. Die Musik begann gemächlich, sicher und ruhig, umhüllte ihn, zog ihn in die Welt des Phantoms. Ein einsamer Ort, diese Welt, erfüllt von Herzeleid und Sehnen und unerwiderter Liebe.
    Er erinnerte sich - so wie immer - an das erste Mal, als er diese Musik gehört hatte. Er und Madelaine waren zusammen ins Theater gegangen. Als er neben ihr saß, ihre Anwesenheit spürte, sah, wie das Funkeln der Scheinwerfer sich in ihren Augen widerspiegelte, hatte er sich dem Himmel nahe gefühlt.
    Lass deinen Phantasien freien Lauf in dieser Dunkelheit, von der du weißt, dass du sie nicht bekämpfen kannst...
    Francis sang die Worte laut, tat für eine Sekunde so, als habe er Talent. Als könne er viele Dinge. Die Musik schwoll wieder an, voll wirbelnder, geballter Kraft. Hohe, reine Noten, so zitternd und süß wie der Gesang eines Vogels, der hoch oben sitzt, dann senkten sich die Töne und gerieten in Unordnung und wurden melancholisch.
    Und die Traurigkeit kam, wie sie immer kam, eingebunden inmitten der prachtvollen Klänge. Francis fühlte den Schmerz im Lied des Phantoms, die Qual, im Schatten der Frau, die man liebte, leben zu müssen.
    Ach, Madelaine, dachte er und stieß einen weiteren Seufzer aus.
    »Francis?«
    Er richtete sich mit einem Ruck auf, blinzelte in das plötzliche gleißende Sonnenlicht, das sich durch die geöffnete Eingangstür des Pfarrhauses ergoss.
    Lina stand im Türrahmen, von hinten vom goldenen Glühen des Morgens beleuchtet. Sie sah unglaublich jung und zerbrechlich aus, winzig in ihrer weiten Hose und der Armeejacke. Aber es waren ihre Augen, die seine Aufmerksamkeit auf sich zogen, ihn veranlassten, in plötzlicher Sorge die Stirn zu runzeln.
    Er trat die Fußstütze seines Ruhesessels hinunter und sprang auf. »Lina, Schatz, was ist los?«
    Sie antwortete nicht.
    »Lina?« Er bewegte sich auf sie zu, und während er ihr näher kam, sah er die kleinen Dinge, die das Sonnenlicht verwischt hatte. Sah, wie sie dastand, zu einer Seite geneigt, halb vor seiner Schwelle, halb dahinter, die geschwollene Röte ihrer Augen, die Wangen blauschwarz von Mascara und Tränen verschmiert.
    Und er wusste es. Gott helfe ihm, aber er wusste, warum sie hier war, gebrochen und verloren aussah. Madelaine hatte ihr die Wahrheit gesagt.
    O, Gott ... Bei diesem Gedanken drehte es ihm fast den Magen um. Unsicher schaltete er die Stereoanlage aus und ging zu ihr.
    Und sie stand noch immer reglos im Türrahmen. Blass, so blass, und ihre blutunterlaufenen Augen von Traurigkeit erfüllt. Er erinnerte sich an Hunderte anderer Besuche. Zeiten, in denen sie zu ihm gekommen war, lachend, durch seine Tür hüpfend, und sich in seine wartenden Arme geworfen hatte.
    »Ich wusste nicht, wohin ich sonst gehen sollte«, sagte sie, kaute an ihrem Daumennagel und sah ihn mit diesen unendlich traurigen Augen an.
    Er streckte seinen Arm nach ihr aus und sie ergriff seine Hand und drückte sie fest. Er sah ein Glitzern von frischen Tränen in ihren Augen funkeln.
    Er schloss die Tür und führte sie zu dem braungoldenen Sofa. Er setzte sich neben sie, schlang einen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. Sie presste ihre Wange an seine Brust. Er spürte, wie sie zitternd einatmete. »Schsch«, murmelte er.
    Er wollte alles für sie besser machen, so, wie er es schon tausendmal in ihrem Leben getan hatte.
    Plötzlich zog sie sich zurück, atmete heftig ein und blickte zu ihm auf. »Mo... Mom hat meinen Vater nicht angerufen. Sie hatte es ver - versprochen und dann hat sie ihn nicht angerufen.«
    Für einen Sekundenbruchteil empfand Francis Erleichterung.
    Tränen quollen unter ihren Wimpern hervor, fielen eine nach der anderen auf ihre verschmierten blassen Wangen. »Ich weiß nicht, warum ich geglaubt habe, dass sie das tun würde.«
    »Er hat euch einfach sitzen lassen. Vielleicht ist es am besten, wenn du nicht an ihn denkst.«
    »Sag mir, wer er ist«, bat sie leise.
    Von diesem Augenblick an würde es kein Zurück mehr geben. Das wusste er. Furcht schloss sich um seine Brust wie eine Fessel. Niederlage ließ seine Schultern

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