Kristin Lavranstochter 1
diesem den Leuten kein Futter auf den Almen wegnehmen - so sich dort überhaupt Futter findet -, und du weißt, daß heuer niemand hier im Tale Futter zu verkaufen hat.“
„Ich habe daran gedacht“, antwortete Kristin. „Ihr müßt uns Futter und Essen für drei Tage leihen. Auch deshalb ist es wichtig, daß wir keine zu große Schar sind - Erlend muß Jon nach Husaby zurückschicken. Das Jahr ist im Trondgau besser gewesen, und von dort können wohl einige Fuhren vor Weihnachten über das Gebirge geführt werden. Ich kenne ein paar arme Leute in der südlichen Gemeinde, und ich möchte gerne, daß Ihr sie mit einem Almosen von Erlend und mir unterstütztet, Frau Aashild.“
Björn brach in ein seltsam unfrohes Gelächter aus. Frau Aashild schüttelte den Kopf. Aber Ulv hob seine scharfen dunklen Augen und blickte Kristin mit einem eigenen frechen Lächeln an.
„Es herrscht niemals Überfluß auf Husaby, Kristin Lavranstochter, weder in guten noch in schlechten Jahren. Aber vielleicht wird es anders, wenn Ihr dort ans Ruder kommt. Eure Rede hört sich so an, als wäret Ihr die Hausfrau, die Erlend braucht.“
Kristin nickte dem Mann ruhig zu und fuhr fort. Sie meinte, sie müßten sich soviel wie möglich vom Hauptwege fernhalten. Und es schien ihr nicht ratsam, den Weg über Hamar zu nehmen. Erlend wandte ein, daß dort Munan säße - es handle sich um den Brief an die Herzogin.
„Dann muß sich Ulv bei Fagaberg von uns trennen und zu Herrn Munan reiten, während wir uns westlich vom Mjös-See halten und quer über Land und auf Schleichwegen über Hadeland nach Haketal reiten. Von dort aus soll ein öder Weg gen Süden nach Margretatal führen, so habe ich den Oheim sagen hören. Es ist nicht ratsam für uns, über Raumarike zu reiten um diese Zeit, da die große Hochzeit auf Dyfrin gefeiert werden soll“, sagte sie lächelnd.
Erlend trat zu ihr hin und faßte sie um die Schulter, und sie lehnte sich an ihn, ohne sich um all die Leute zu bekümmern, die dabeisaßen und es sahen. Frau Aashild sagte ärgerlich:
„Kein Mensch sollte meinen, daß du zum erstenmal von daheim wegläufst.“
Und Herr Björn lachte laut wie zuvor.
Kurz darauf stand Frau Aashild auf, um ins Küchenhaus zu gehen und das Essen zu bereiten. Sie hatte dort Feuer gemacht, weil Erlends Leute die Nacht über in diesem Haus schlafen sollten. Nun bat sie Kristin, mitzukommen. „Denn ich will Lavrans Björgulvssohn beschwören können, daß ihr nicht einen Augenblick in meinem Haus allein gewesen seid“, sagte sie böse.
Kristin lachte und ging mit ihr. Gleich danach kam Erlend zu ihnen hineingeschlendert, zog sich einen Dreifuß an die Feuerstätte, setzte sich und war den Frauen im Wege. Er faßte nach Kristin, sooft sie ihm nahe kam, während sie geschäftig umhereilte. Schließlich zog er sie zu sich auf sein Knie. „Es ist schon so, wie Ulv sagte, du bist die Hausfrau, die ich brauche.“
„Ach ja“, lachte Frau Aashild ärgerlich, „dir mag freilich gut mit ihr gedient sein. Sie ist es, die bei diesem Abenteuer alles aufs Spiel setzt - du wagst nicht viel.“
„So ist es“, sagte Erlend. „Aber ich habe den Willen gezeigt, den rechten Weg zu ihr zu gehen. Sei nun nicht so böse, Muhme Aashild.“
„Ich muß wohl böse sein“, erwiderte diese. „Kaum hast du deine Sachen in Ordnung, treibst du es wieder so, daß du mit einer Frau von allem davonlaufen mußt.“
„Du magst bedenken, Muhme“, sagte Erlend, „es ist von jeher so gewesen, daß es nicht die schlechtesten Männer waren, die sich um einer Frau willen in Ungunst brachten - so berichten alle Sagas.“
„Ach, Gott steh uns bei“, sagte Aashild. Ihr Gesicht wurde weich und jung. „Diese Reden habe ich schon früher gehört, Erlend.“ Sie umfaßte seinen Kopf und zog ihn bei den Haaren.
In diesem Augenblick riß Ulv Haldorssohn die Türe auf und schloß sie rasch hinter sich.
„Nun ist ein Gast auf den Hof gekommen, Erlend - den du am allerwenigsten wirst sehen mögen, denke ich.“
„Ist es Lavrans Björgulvssohn?“ fragte Erlend und sprang auf. „So gut stehen die Dinge nicht“, erwiderte der Mann. „Es ist Eline Ormstochter.“
Die Türe wurde von außen geöffnet; die Frau, die hereinkam, schob Ulv zur Seite und trat ins Licht vor. Kristin blickte zu Erlend hinüber. Zuerst war es, als welke er und sinke zusammen; dann richtete er sich auf, dunkelrot im Gesicht.
„Wo, zum Teufel, kommst du her - was willst du hier!“
Frau Aashild
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