Kristin Lavranstochter 1
uns nicht voneinander zwingen lassen wollen, keinen besseren Rat, als sie mit Gewalt zu entführen. Ich habe - ich habe einen Späher hier im Tal gehabt, und ich weiß, daß ihre Mutter von der Klemensmesse an eine Zeitlang auf Sundbu sein wird, und Lavrans ist mit den anderen Männern aufgebrochen, um die Wintervorräte vom Fjord herüber nach Sil zu bringen.“
Frau Aashild saß einige Zeit schweigend da.
„Diesen Plan, Erlend, mußt du fahrenlassen“, sagte sie. „Auch glaube ich nicht, daß das Mädchen dir gutwillig folgen wird, und du wirst doch wohl nicht Gewalt gebrauchen wollen.“ „Doch, sie folgt mir. Wir haben oft darüber gesprochen - sie selbst hat mich viele Male gebeten, ich solle sie entführen.“
„Hat Kristin!“ rief Aashild aus. Dann lachte sie. „Deswegen darfst du noch nicht darauf vertrauen, daß das Mädchen dir folgen wird, wenn du kommst, um sie beim Wort zu nehmen.“
„Doch“, sagte Erlend. „Und nun hatte ich gedacht, Muhme, du solltest einen Boten nach Jörundhof senden, ob Kristin zu dir zu Gast kommen wolle - auf eine Woche oder so etwa, solange die Eltern weg sind. Da könnten wir in Hamar sein, ehe jemand merkt, daß sie weg ist“, erklärte er.
Frau Aashild erwiderte, ständig lächelnd:
„Hast du auch bedacht, was wir antworten sollen, Herr Björn und ich, wenn Lavrans kommt und uns wegen seiner Tochter zur Rechenschaft zieht?“
„Ja“, sagte Erlend. „Wir waren vier bewaffnete Männer, und das Mädchen war willig.“
„Ich will dir dabei nicht helfen“, entgegnete die Frau heftig. „Lavrans ist uns lange Jahre ein getreuer Mann gewesen - er und seine Frau sind ehrenhafte Leute, und ich will mich nicht dazu hergeben, sie zu betrügen oder das Mädchen in Schande zu bringen. Laß diese Jungfrau in Frieden, Erlend. Es wäre nicht zu früh, wenn deine Verwandten jetzt andere Taten von dir erführen als nur immer, daß du mit gestohlenen Frauen landaus und landein ziehst.“
„Wir müssen unter vier Augen miteinander reden, Muhme“, forderte Erlend kurz.
Frau Aashild ergriff ein Licht, ging mit Erlend in die Milchkammer und schloß die Türe hinter sich. Sie setzte sich auf eine Mehltruhe; Erlend stand vor ihr, die Hände im Gürtel, und blickte auf sie herab.
„Du kannst Lavrans Björgulvssohn dann auch berichten, daß Sira Jon in Gerdarud uns getraut hat, ehe wir weitergezogen sind zu Frau Ingebjörg Haakonstochter in Schweden.“
„So“, sagte Frau Aashild. „Weißt du, ob Frau Ingebjörg euch wohl aufnehmen wird, wenn ihr dort hinkommt?“
„Ich sprach mit ihr in Tunsberg“, meinte Erlend. „Sie grüßte mich als ihren lieben Verwandten und dankte mir, weil ich ihr meine Dienste hier oder in Schweden anbot. Und Munan hat versprochen, mir Briefe an sie mitzugeben.“
„Du weißt ja wohl“, sagte Frau Aashild, „daß Kristin, selbst wenn du einen Priester dazu bringen kannst, euch zu trauen, alles Recht auf Erb und Eigen verloren hat. Und ihre Kinder werden nicht deine gesetzlichen Erben. Unsicher ist es, ob man sie als deine Frau ansehen wird.“
„Nicht hier im Lande vielleicht. Das ist es auch, weshalb ich nach Schweden Zuflucht nehme. Ihr Vorfahr Laurentius Östgötalagmann war mit Jungfrau Bengta auch nicht auf andere Art verheiratet - sie bekamen nie die Zustimmung ihres Bruders, und doch wurde sie als Frau angesehen.“
„Es waren keine Kinder da“, sagte Frau Aashild. „Glaubst du, meine Söhne würden die Hände von deinem Erbe lassen, wenn Kristin als Witwe mit Kindern zurückbliebe, deren eheliche Geburt man anzweifeln könnte?“
„Du tust Munan unrecht“, sagte Erlend. „Deine anderen Kinder kenne ich wenig - und du hast keine Ursache, freundlich von ihnen zu denken, das weiß ich. Aber Munan ist alle Zeit mein wohlgetreuer Verwandter gewesen; er will mich gerne verheiratet sehen; er freite für mich bei Lavrans. - Im übrigen kann ich den Kindern, die wir bekommen, Erbe und Namen geben.“
„Damit zeichnest du die Mutter als Buhlerin“, sagte Frau Aashild. „Aber ich verstehe nicht, daß dieser sanftmütige Mann, Jon Helgessohn, wagen will, es mit seinem Bischof zu tun zu bekommen, dadurch, daß er dich gegen das Gesetz traut.“
„Ich beichtete bei ihm in diesem Sommer“, sagte Erlend gedämpft. „Da versprach er, uns zu trauen, wenn alle anderen Wege versperrt sein sollten.“
„So also“, sagte Frau Aashild. „Da hast du eine schwere Sünde auf dich geladen, Erlend. Kristin hatte es gut daheim bei
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